Lehrende/r: Univ.-Prof. Dr. Friedemann Kreuder; Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
Veranstaltungsart: Übung
Anzeige im Stundenplan: Üb:Spezialstudien2
Semesterwochenstunden: 2
Credits: 6,0
Unterrichtssprache: Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl: 3 | 8
Anmeldegruppe: Übungen CII-M. (B.A.) und M III (M.A.), WS 15_16
Kontingentschema: Übungen CII-M. (B.A.) und M III (M.A.), WS 15_16
Voraussetzungen / Organisatorisches:
Inhalt: In seinem kunsttheoretischen Vorwort „Das Subjektil ent-sinnen“ entfaltet der berühmte französische Philosoph Jacques Derrida in seinen auf die von Paule Thévenin herausgegebenen Grafiken und Zeichnungen des Theaterrevolutionärs Antonin Artaud bezogenen Überlegungen das moderne Kunstwerk als aus einem Akt der Zerstörung hervorgehend. Im metaphorischen Bild der die eigentliche Durchschlagskraft des Projektils beim Schuss einzig auf Basis der Abspaltung seines Subjektils – der hierbei herabfallenden Patronenhülse als Rest seines explosiven Trägermaterials – entfesselnden Pistolenmechanik erweist Derrida die Hervorbringung jeglicher bedeutungsvollen künstlerischen Werkstruktur nur unter der Bedingung der vorhergehenden Erosion, Spaltung und Zerstörung ihrer spezifischen Materialität als möglich: auch vor 1900 musste der Pinsel des Malers die Leinwand touchieren, die ihm anhaftende Farbe sie durchdringen und sie mit ihrer Feuchtigkeit zerfressen; senkte musikalisch artikulierte Zeit in Form von Tönen gleichsam Pfähle in die Stille ein und zerriss das Band als kontinuierlich vorgestellter Zeitlichkeit; konnte der Sinn dramatischer Figurenrede jenseits des „Korns der Stimme“ (Barthes) und ohne die Beanspruchung der Materialität ihrer Stimmlichkeit bis hin zu deren Rauhheit durch Abrieb, die bedeutungsvolle Dynamik der schauspielerischen und tänzerischen Bewegung nicht ohne körperliche Beanspruchung und Erschöpfung – auch für die Zuschauer – sinnenfällig werden. Derrida sieht eben diese paradoxale aufbauende Zerstörung des kunstschaffenden Aktes in der historischen Moderne seit 1900 systematisch forciert und im programmatischen künstlerischen Aufstand gegen bürgerliche Repräsentationsmuster der „reigne de la logique“ (Breton) auf die Spitze getrieben, indem hier nicht nur die Materialität der traditionellen künstlerischen „Rohstoffe“, sondern auch die sie einhegenden Rahmen (Goffman, Bateson) - etwa von zweidimensional flächiger Malerei und darauf bezogener Weltbilder, Theater als Hierarchisierung sämtlicher Bühnenelemente unter dem Primat des Dramas und darauf bezogener Geschichtsbilder - als zu ent-sinnende Subjektile im Dienste der Entfesselung künstlerisch innovativen Sinns zur Disposition stehen. Das Seminar vollzieht diesen Gedankengang anhand der Artaud zeitgenössischen bildenden und Theater-Kunst sowie Musik nach und überträgt ihn im Sinne seiner Fortschreibung als Erkenntnisgewinn trächtige Denkfigur auf frühere und spätere Beispiele der Entgrenzung der Künste und der bewußten Zerstörung werkkonstitutiver Aspekte sowie selbstreflexiver Einschreibungen. Dabei werden der von Van Gogh her gedachte Malereibegriff Artauds und Derridas eigene Schriften über die Malerei (u.a. Die Wahrheit in der Malerei, 1978) gesondert zu thematisieren sein. Das Seminar bezieht sich u.a. auf folgende Gegenstände: Aktionskunst von Fluxus, Beuys und Schlingensief Lucio Fontanas Schlitzbilder Operninszenierungen Calixto Bieitos Die Schießbilder von Niki de Saint Phalle Artauds Radiostimmen Artaud und van Gogh Trajektorische Pinselmetaphern: der Pinsel als Pfeil (Guercinos Venus und Amor in Modena) Michelangelos Hammer: die Zerstörung seiner Pietà Bandini in Florenz/ Pietro Torrigianis Zerstörung einer Madonna–und-Kind-Gruppe Tizians Flecken Der Künstler im Bild: Caravaggios Masken (Matthäusmarter und Tod Johannes des Täufers) Domenico Biancolellis Harlequin „Dominique“ Giullare nudi
Empfohlene Literatur: Jacques Derrida: Das Subjekt- il entsinnen, in: Paule Thévenin und Jacques Derrida, Antonin Artaud. Zeichnungen und Porträts, München 1986, S. 51-109