02.054.075 PS. Genreformen - Film Noir

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Sebastian Lauritz M.A.

Veranstaltungsart: Proseminar

Anzeige im Stundenplan: PS. Genreformen

Semesterwochenstunden: 2

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 35

Anmeldegruppe: PS. Genreform WiSe 14/15

Voraussetzungen / Organisatorisches:
Die Teilnahme an diesem sehr arbeitsintensiven Seminar setzt die Bereitschaft zur regelmäßigen Lektüre von Grundlagen- und Vertiefungstexten, zur aktiven Mitarbeit in den Seminarsitzungen und dem wöchentlichen Besuch eines seminarbegleitenden Sichttermins voraus. Der besuch des Sichttermins ist genauso wie eine regelmäßige Teilnahme an den Seminarsitzungen obligatorisch und steht nicht zur Diskussion.
Als Vorbereitung auf das Seminar bitte ich darum, dass alle KursteilnehmerInnen bis zur ersten Sitzung die Filme THE MALTESE FALCON / DIE SPUR DES FALKEN (R: John Huston, 1941), LAURA (R: Otto Preminger, 1944), MURDER MY SWEET (R: Edward Dmytryk, 1944), THE KILLERS / RÄCHER DER UNTERWELT (R: Robert Siodmak, 1946) und TOUCH OF EVIL / IM ZEICHEN DES BÖSEN (R. Orson Welles, 1958) gesehen haben - letzteren bitte in der restaurierten Originalfassung. All diese Filme sind in Deutschland auf DVD, zum Teil auch auf BluRay veröffentlicht worden. Und sie sind natürlich ebenfalls in der Mediathek unseres Instituts verfügbar, wo sie z.B. im Laufe der Semesterferien problemlos entliehen werden können.
Desweiteren setze ich voraus, dass alle KursteilnehmerInnen ebenfalls bis zur ersten Seminarsitzung Raymond Chandlers Roman LADY IN THE LAKE / DIE TOTE IM SEE wahlweise im englischen Original oder in der deutschen Übersetzung vollständig und gründlich gelesen haben. Die genaue Kenntnis dieses Romans und der oben aufgeführten Filme (vor allem im Hinblick auf Erzähltechniken, Dramaturgie und Stilistik) ist Voraussetzung für die Seminarteilnahme und wird in der ersten Sitzung stichpunktartig abgeprüft.


Inhalt:
Scheiternde Helden und verführerische femme fatales, komplexe Erzählstrukturen voller Rückblenden und ein distinkter visueller Stil, in dem immer wieder mit harten Hell-Dunkel-Kontrasten und ausgeprägten Schattenpartien gearbeitet wird. Solche und ähnliche Gestaltungskriterien werden stets bemüht, wenn es gilt, den Begriff "Film noir" zu erläutern. Ob damit allerdings ein epochenspezifischer Stil, ein Genre oder gar ein kultur- und/oder medienübergreifendes Phänomen beschrieben werden soll, variiert schon konzeptuell in der Sekundärliteratur wie auch die Auswahl und Anzahl der Filme, die als "Noir" etikettiert werden (und die im Einzelfall bemerkenswert oft gar nicht all die Kriterien erfüllen, die für Film noirs eigentlich gelten sollten). Mal wird das "Noir"-spezifische vor allem in einer von Ausweglosigkeit geprägten Atmosphäre oder einer expressiven Bildsprache gesehen, die sich (vom Weimarer Kino und dem poetischen Realismus bis in die Postmoderne) prinzipiell in allen Phasen der Filmgeschichte finden lässt; mal wird er als Spielart des Kriminalfilms verstanden, in dem weniger die geradlinige Aufklärung eines Verbrechens im Vordergrund stehe, sondern vor allem die fragile und bisweilen gestörte Befindlichkeit der Hauptfiguren ausgelotet werde.
Daneben besteht freilich ebenfalls die Tendenz, den "Film noir" als Strömung innerhalb des US-amerikanischen Kinos zu lokalisieren, die sich primär in den 1940er und 1950er Jahren ausgeprägt habe - so auch in den Texten von Nino Frank und Jean Pierre Chartier, die den Begriff erstmals verwenden. Die Beiden arbeiten 1946 als Filmkritiker in Paris und rezensieren dort eine Reihe von Hollywoodfilmen, welche zwar schon während der Kriegsjahre produziert, in Frankreich aber erst nach Kriegsende uraufgeführt wurden. In dieser Reihe werden dann u.a. THE MALTESE FALCON / DIE SPUR DES FALKEN (R: John Huston, Warner Brothers 1941), LAURA (R: Otto Preminger, 20th Century Fox 1944), DOUBLE INDEMNITY / FRAU OHNE GEWISSEN (R: Billy Wilder, Paramount 1944) und MURDER MY SWEET / MORD MEIN LIEBLING (R: Edward Dmytryk, RKO 1944) gezeigt. In diesen vier Produktionen - und kurz darauf auch in einigen weiteren - glauben Frank und Chartier eine neue, pessimistische Tendenz innerhalb des amerikanischen Kinos zu entdecken, die es ihrer Ansicht so in den US-Filmen der Vorkriegsjahre nicht gegeben habe und die sie nun recht intuitiv als "Film noir" bezeichnen.
Bei Frank und Chartier bleibt dies zunächst ein vorsichtiges, provisorisches Urteil, das an das Bewusstsein geknüpft ist, einen Großteil des gegenwärtigen US-Kinoprogramms nicht zu kennen und das Ausmaß dieses neuen Trends (wenn es denn einer ist) noch nicht genau absehen zu können. Obgleich im Ansatz höchst spekulativ und methodisch keineswegs genau, wird der Begriff innerhalb der französischen Filmkritik rasch populär. Bereits ein Jahrzehnt später erscheint mit Raymond Bordes und Etienne Chaumetons Panorama du film noir américain (1955) eine erste eigenständige Publikation, die sich dem Phänomen widmet, bevor sich der Begriff in den 1960er Jahren auch in der amerikanischen Filmkritik durchzusetzen beginnt. Je mehr Aufsätze und Bücher erscheinen und je leidenschaftlicher der Begriff in der Folge diskutiert wird, desto mehr erweitert sich nicht nur der Filmkorpus, der als "noir" klassifiziert wird, sondern auch die Perspektiven, in denen er diskutiert wird. Während schon bei Borde und Chaumeton eine Vermischung der Begrifflichkeiten festzustellen ist, da sie "Film noir" stellenweise als Serie und Genre, dann aber wieder als Stimmung und Zeitgeist konzipieren, wird er im Umfeld der Zeitschrift Cahiers du cinéma zum Prätext der Autorentheorie umfunktioniert. In Paul Schraders einflussreichem, argumentativ aber völlig konfusem Essay Notes on Film noir (1972) avanciert der "Film noir" schließlich zum Inbegriff eines Epochalstils, mit dessen Hilfe Schrader aufzeigen will, dass es selbst im klassischen Hollywoodkino (dem Inbegriff des arbeitsteiligen und kommerziellen Filmschaffens) eine Blütezeit der Filmkunst gegeben habe, die für ihn 1941 mit THE MALTESE FALCON einsetzt, sich über mehrere Phasen hin entwickelt und bis zu Orson Welles' TOUCH OF EVIL im Jahr 1958 reicht.

Der "Film Noir" ist also, so lässt sich an dieser kurz skizzierten Begriffsgeschichte bereits ablesen, zunächst weniger eine konkrete Strömung, ein Genre innerhalb einer (oder mehrerer)Filmindustrie(n) gewesen, sondern zunächst eine aus der Distanz formulierte Idee der Filmkritik. Angesichts der Vielzahl an Ansätzen, die sich daraus entwickelt haben, wäre es im Rahmen unseres Seminars gewiss naiv, dies außer Acht zu lassen. Daher sollten wir - orientiert an James Naremores kluger und sehr lesenswerter Studie More than night - Film noir in its contexts (2008) - den "Film noir" nicht einfach als etwas gegebenes begreifen, sondern zunächst die sich im Laufe der Filmgeschichte / Filmgeschichtsschreibung wandelnden Konzeptionen des "Film noir" diskursiv erschließen. Dabei werden sich Gemeinsamkeiten, aber auch signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Methoden und Modellen (im Rahmen der Genre- und Stiltheorie) herausarbeiten und in ihrem Nutzen für die Analyse einzelner Filme diskutieren lassen.
Mein Vorschlag wäre, dass wir hinsichtlich der Filmauswahl für diesen Kurs analog zur Begriffsgeschichte verfahren und uns in den ersten Sitzungen auf US-amerikanische Produktionen der 1940er und 1950er Jahre konzentrieren, also neben den oben genannten Beispielen Filme wie STRANGER ON THE THIRD FLOOR (1940), THIS GUN FOR HIRE / DIE NARBENHAND (1942), LADY IN THE LAKE / DIE DAME IM SEE (1947), OUT OF THE PAST / GOLDENES GIFT (1947), T-MEN / GEHEIMAGENT T (1947), THEY LIVE BY NIGHT / IM SCHATTEN DER NACHT (1948), THE BRIBE / GEHEIMAKTION CARLOTTA (1949), D.O.A. / OPFER DER UNTERWELT (1950), THE BIG HEAT / HEISSES EISEN (1953), THE BIG COMBO / GEHEIMRING 99 (1955), KISS ME DEADLY / DAS RATTENNEST (1955), THE KILLING / DIE RECHNUNG GING NICHT AUF (1956) und UNDERWORLD U.S.A. / ALLES AUF EINE KARTE (1961) berücksichtigen. In der zweiten Hälfte des Seminars können wir dann den Blick erweitern und das Fortleben von Noir-Tendenzen in anderen Ländern und späteren Phasen der Filmgeschichte untersuchen. Zu denken wäre hier beispielsweise an Regisseure wie Francois Truffaut (TIREZ SUR LE PIANISTE / SCHIESSEN SIE AUF DEN PIANISTEN, 1960) und Jean-Pierre Melville (LE SAMOURAI / DER EISKALTE ENGEL, 1967) in Frankreich, Koreyoshi Kurahara (ORE WA MATTERU ZE / I AM WAITING, 1957) und Masahiro Shinoda (KAWAITA HANA / PALE FLOWER, 1964) in Japan, oder Robert Altman (THE LONG GOODBYE / DER TOD KENNT KEINE WIEDERKEHR, 1973), Roman Polanski (CHINATOWN, 1974), Abel Ferrara (FEAR CITY / MANHATTAN 2 UHR NACHTS, 1984; BAD LIEUTENANT, 1992), Brian DePalma (THE BLACK DAHLIA, 2006) David Lynch (BLUE VELVET, 1986; LOST HIGHWAY, 1997) und die Coen-Brüder (BLOOD SIMPLE, 1984; THE MAN WHO WASN't THERE, 2001) in den USA, die allesamt den "Film noir" als ästhetisches Reservoir für ihr eigenes Filmschaffen nutzen.

Mit welchen Filmen und Filmemachern wir uns dabei konkret beschäftigen und ob wir z.B. auch hybride Genrekombinationen (also z.B. cross-over zwischen Film noir und Sci-Fi wie in BLADE RUNNER (1982), DARK CITY (1998) usw.) und/oder medienübergreifende Phänomene (etwa Wechselwirkungen zwischen "Noir"-Filmen und graphic novels wie im Falle von SIN CITY) berücksichtigen, sollten wir in der ersten Sitzung des Kurses gemeinsam festlegen. Wünschenswert wäre es aus meiner Sicht, wenn die SeminarteilnehmerInnen dabei eigene Ideen, Vorschläge und Filmpräferenzen einbringen würden. Das kann zu Beginn des Seminars, gern aber auch schon vorab im Laufe der Semesterferien per E-Mail geschehen.


Empfohlene Literatur:
Aus der inzwischen schier uferlosen Fülle von Publikationen zum Film Noir sei als Basisliteratur vor allem James Naremores bereits weiter oben erwähnte Studie zu empfehlen, mit der wir im Laufe des Semesters wiederholt arbeiten werden:
James Naremore: More than night. Film noir in its contexts. Expanded Edition. Berkeley u.a. 2008.

Sehr lesenswert sind daneben auch Thomas Koebners Aufsätze zum Film noir in seinen "Schriften zum Film" sowie Norbert Grobs Einleitungskapitel "Kino der Verdammnis" in dem von ihm herausgegebenen Reclam-band "Filmgenres. Film noir".

Eine umfangreiche Literaturliste und ein Reader mit zentralen Texten und Textauszügen für die einzelnen Sitzungen wird zu Semesterbeginn zur Verfügung gestellt.



Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Do, 30. Okt. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
2 Do, 6. Nov. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
3 Do, 13. Nov. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
4 Do, 20. Nov. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
5 Do, 27. Nov. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
6 Do, 4. Dez. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
7 Do, 11. Dez. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
8 Do, 18. Dez. 2014 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
9 Do, 8. Jan. 2015 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
10 Do, 15. Jan. 2015 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
11 Do, 22. Jan. 2015 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
12 Do, 29. Jan. 2015 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
13 Do, 5. Feb. 2015 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
14 Do, 12. Feb. 2015 14:15 15:45 00 211 Hörsaal Sebastian Lauritz M.A.
Verbundene Veranstaltungen
Die Veranstaltung ist mit folgenden Veranstaltungen verbunden:
  • 02.054.075 PS. Genreformen - Film Noir

    Lehrveranstaltung

    Sebastian Lauritz M.A.

    Do, 30. Okt. 2014 [14:15]-Do, 12. Feb. 2015 [15:45]

  • Sichttermin zu PS. Genreformen - Film Noir

    Lehrveranstaltung

    Sebastian Lauritz M.A.

    Do, 30. Okt. 2014 [18:15]-Do, 12. Feb. 2015 [19:45]

Übersicht der Kurstermine
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Lehrende/r
Sebastian Lauritz M.A.