Lehrende/r: Jun.-Prof. Dr. Julia Stenzel
Veranstaltungsart:
Vorlesung
Anzeige im Stundenplan:
VL Theatergeschichte
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl:
- | -
Voraussetzungen / Organisatorisches:
Die Vorlesung beginnt zum 30.04.2014
Inhalt:
Europa ist im ,langen 19. Jh.‘ nach der Französischen Revolution Schauplatz massiver politischer, gesellschaftlicher und kultureller Wandlungsprozesse. 1848 entladen sich die Spannungen zwischen Restauration einerseits, liberalem und demokratischem Gedankengut andererseits in der bekannten Märzrevolution, die ihrer Latenzphase - dem Vormärz - den Namen gab. Auch das Theater durchläuft im 19. Jh. eine Transformation von der spätbarocken Hoftheaterkultur zu einer Diversität theatraler Formen und Institutionen zum Ende des Jahrhunderts, deren Spuren - ästhetisch und pragmatisch - noch im Theater unserer Gegenwart ablesbar sind.
Die Vorlesung versucht, diese Spuren entlang dreier thematischer Schwerpunkte nachzuvollziehen: Erstens soll es um das Verhältnis von Theater und Öffentlichkeit gehen: Sowohl hinsichtlich des konkreten ,settings‘ der an der Aufführung Beteiligten (Darsteller, Publikum), als auch hinsichtlich seiner Konzepte des idealen Schauspielers/Zuschauers und der in den Aufführungen verhandelten Themen im Verlauf des Jahrhunderts lässt sich beschreiben, wie dieses Verhältnis im Verlauf des Jahrhunderts immer wieder modifiziert und neu ausgehandelt wurde. Im Vormärz etwa wurde Theater zum Modell für eine sich entwickelnde bürgerliche Öffentlichkeit.
Zweitens thematisiert die Vorlesung das „Theater als Ort des Erinnerns“ (Kreuder) und der Verhandlung (oder Konstruktion) kulturellen Gedächtnisses - etwa in den Antike-Inszenierungen und Antike-Dramen seit der Mitte des Jahrhunderts oder, anders gewendet, auch bei Richard Wagner, von dem das Zitat im Titel der Vorlesung stammt: Über die (Re-)konstruktion einer gemeinsamen ,Geschichte‘, sei es in Form des Geschichtsdramas oder der Evokation eines mythischen Substrats, wird Theater insbesondere in Deutschland, der ,Nation ohne Staat‘, als Stifter kultureller Identität(en) funktionalisiert.
Mit den beiden ersten Schwerpunkten steht die Frage nach der Wirksamkeit von Theater in engem Zusammenhang, die Frage nach seinem Verhältnis zu anderen Medien und nach seiner eigenen medialen Spezifik. Entsprechend wird es drittens um eine Mediengeschichte des Theaters im 19. Jahrhundert gehen: Wie wird der Medienwechsel vom geschriebenen Text hin zur performativen Konkretisation konzeptualisiert - auch vor dem Hintergrund eines sich professionalisierenden und strukturell differenzierenden Theaterwesens? Und wie wird die Aufführungssituation unter den sich massiv verändernden ästhetischen und technischen Bedingungen einer beginnenden Moderne neu kalibriert? Und nicht zuletzt: Wie schlägt sich dies alles in theatertheoretischen Schriften, aber auch in der Dramenproduktion und in der Art und Weise nieder, wie von Seiten der (professionellen und nicht-professionellen) Rezipienten über ,das Theater‘, aber auch über konkrete Aufführungen gesprochen wird?
Empfohlene Literatur:
Hans-Peter Bayerdörfer (1992), “Theater und Bildungsbürgertum zwischen 48er Revolution und Jahrhundertwende.” In: M.R. Lepsius (1992), Bildungsbürgertum im 19. Jh.; Erika Fischer-Lichte (1985), “Das deutsche Drama und Theater (1815-48).” In: Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Bd.16, Europäische Romantik III. (1985); Horst Denkler (1973), Restauration und Revolution; Meike Wagner (2013), Theater und Öffentlichkeit im Vormärz. Berlin, München und Wien als Schauplätze bürgerlicher Medienpraxis.
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