05.067.111 MNDL/EUL3: Dramen der Reformationszeit

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Dr. Andreas Keller

Veranstaltungsart: Seminar

Anzeige im Stundenplan: MND/EUL3: Dramen

Semesterwochenstunden: 2

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 30

Anmeldegruppe: MNDL

Prioritätsschema: Priorisierung
Senatsrichtlinie:
Zulassung gemäß Richtlinie über den Zugang zu teilnahmebeschränkten Lehrveranstaltungen vom 07. März 2007.

Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte www.info.jogustine.uni-mainz.de/senatsrichtlinie

Über die Senatsrichtlinie hinaus werden bei der Platzvergabe für diese Veranstaltung Studierende höherer Fachsemester (4. - 6. Semester) bevorzugt berücksichtigt.

Kontingentschema: MNDL- HS

Inhalt:
Das Jahr 2017 nähert sich, der Papst sucht schon 2011 im „Stammland der Reformation“ den Austausch mit der evangelischen Kirche und plant eine Begegnung mit den „Brüdern in Christus“ in Erfurt, der Stadt Martin Luthers: aktuelle Ereignisse, die auf ihre historische Tiefendimension hin zu überprüfen wären. Was geschah im 15. und 16. Jahrhundert im deutschen Bereich hinsichtlich einer kritischen Auseinandersetzung mit der römischen Kirche, wer trat mit welchen Aussagen hervor und vor allem: mit welchen Medien wurden schließlich die großen Umwälzungen in Gang gesetzt, die rückblickend verknappt auf das Jahr 1517 bzw. auf den Begriff der „Reformation“ gebracht werden?
Die grundlegenden Veränderungen, die sich aus den kirchlichen Reformbewegungen der Frühen Neuzeit ergeben haben, wären in ihrer Tragweite kaum möglich gewesen ohne die entscheidende mediale Amplifikation bzw. Transformation einzelner kirchenkritischer Ansätze. Neben dem Buchdruck und dem Flugblatt ist hier vor allem die Schauspielbühne zu nennen. Schon die geistlichen Spiele des 15. Jahrhunderts (zu Ostern, Fronleichnam, Pfingsten u.a. Ereignissen des Kirchenjahrs) boten im öffentlichen Raum neue emanzipatorische Möglichkeiten für den Laien, sich über die performative Selbsterfahrung besondere Einblicke in theologische Zusammenhänge zu verschaffen. Gerade aber wo die Diskussion sich zuspitzte und die inhaltliche Konfrontation schließlich auch zur konfessionellen Spaltung führte, bedurfte es der eindrucksvollen Präsentation des jeweiligen Standpunktes, um Abtrünnige, Unschlüssige oder schlicht Unwissende auf die eigene Seite zu ziehen. Alle auftretenden Parteien waren auf breite Publikumswirkung angewiesen und griffen damit auf das Theater als Agitations- und Lehrmedium zurück. Vor allem dann, als es schließlich darum ging, bekenntnistreuen Nachwuchs heranzuziehen und die eigene Institution zu festigen. Neben der konfessionellen Polemik stehen dann auch glaubensunterweisende und seelsorgerische Stoffe auf dem Programm, man inszeniert exegetische Bibeldramen (AT und NT) und Historienstücke (Kirchengeschichte, römische und deutsche Geschichte, Novellendramen). Darüber hinaus finden sich Tugendspiele, die eher eine weltlich orientierte Moraldidaxe betreiben. Im Blick auf soziale Fragen und ein funktionierendes Gemeinwesen überzeichnet man hier abschreckende Laster wie Trunksucht, Völlerei, Wollust, Geiz, Zorn oder Leichtgläubigkeit. Insbesondere die Komödien vom Studentenleben beleuchten dabei anhand von Generationskonflikten zeitgenössische Lebensmaximen.
Begleitet wurde die praktische Stücke- und Theaterarbeit durch offizielle Verlautbarungen, auch erste theoretische Reflexionen, vor allem bzgl. eines möglichen Schadens für die Heranwachsenden durch das Schultheater. Besonders bat man Luther und Melanchthon selbst um Stellungnahmen, die bis heute als lesenswerte Quellen zum Thema vorliegen. Auch die zeitgenössischen Schulordnungen geben wertvolle Auskünfte über den anvisierten pädagogischen Nutzen der dramatischen Kunst.
Literarisch und produktionsästhetisch von großer Bedeutung ist der Kontakt der Produzenten mit den neu bewerteten Dramenformen der Antike (Terenz, Plautus). Deren verstärkte Rezeption und Transformation (etwa zum „Terentius christianus“) beleuchten das aktive Bestreben, eine sinnvolle Synthese aus heidnischer Gelehrsamkeit und christlicher Lebensführung zu finden (Stichwort: Humanismus und Reformation), was vor allem im Bereich des neulateinischen Dramas zu bemerkenswerten Ergebnissen führt. Hinzu kommen aber auch autochthone Spielformen und Traditionen wie das Fastnachtsspiel. Dessen zunehmend autorgebundene, vom anonymen Ritual entkoppelte Formulierung zeigt sich etwa bei Hans Volz oder Hans Sachs. Spannungen zwischen antikem Idiom, deutscher Hoch- bzw. Regionalsprache verweisen zudem auf sprachpolitische Dimensionen, die mit der Durchsetzung konfessioneller Standunkte, aber durchaus auch generell mit dem Werden einer deutschen Literatursprache verbunden sind.
Neben der Produktions- und Aufführungsproblematik sind auch die in den jeweiligen Stücken erkennbaren wirkungspoetischen Fragen zu klären. Die Abhängigkeit von der antiken Rhetorik läßt sich zeigen, Deutungshorizonte zwischen expliziter Aussage und Verschlüsselungsprinzipien (Parabel, Allegorie) stellen sich der Literaturwissenschaft ebenso als interpretatorisches Problem wie Fragen der Szenenfolge und Dramaturgie, der Figurenzeichnung, der Handlung und Exkurse. Welche Stil- und Ausdrucksebenen sind genutzt, welche Rolle spielen Metrik und Phonetik? Auch das Verhältnis von Prätext und Bearbeitung ist präzise zu klären: welche Zusätze, Straffungen oder auch Zwischenspiele nimmt der jeweilige Autor vor? Für die Programmatik ist zu fragen, welche Gattungsbezeichnungen und –typen (etwa reine Lektüre-Dialoge) auftreten.
Neben dem Blick auf den Reformationsverlauf generell (Stationen, Parteien, Differenzen, Vermittlungsfragen) sollen dann einzelne Dramen genauer betrachtet und eingehend analysiert werden: Regional nach verschiedenen Orten und Zentren gegliedert (von Riga über Wittenberg, Nürnberg, Straßburg, Luzern bis nach Wien), aber auch personal betrachtet nach dem Werk einzelner Autoren wie Hans Sachs, Paul Rebhuhn, Naogeorg, Niklas Manuel, Wilhelm Gnapheus oder Jörg Wickram. Abschließend sei dann – wieder als Annäherung an die Gegenwart – auch ein Blick geworfen auf die große Reformationsrezeption im 19. Jahrhundert: Hier erscheint nämlich vor allem der Thesenanschlag (1817) als attraktiver Stoff im zeitgenössischen Drama – mit Luther als Dramenfigur nährt sich nicht zuletzt ein gewichtiger Luther-Kult, der im Umfeld von Nationfindung, Reichsgründung und Kulturkampf im protestantischen Preußen kaum ohne historische Folgen bleiben würde.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Do, 21. Apr. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
2 Do, 28. Apr. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
3 Do, 5. Mai 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
4 Do, 12. Mai 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
5 Do, 19. Mai 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
6 Do, 26. Mai 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
7 Do, 9. Jun. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
8 Do, 16. Jun. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
9 Do, 30. Jun. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
10 Do, 7. Jul. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
11 Do, 14. Jul. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
12 Do, 21. Jul. 2011 12:15 13:45 00 008 SR 06 Dr. Andreas Keller
Übersicht der Kurstermine
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Lehrende/r
Dr. Andreas Keller