05.067.111 MNDL/EUL3: Johann Fischart

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Dr. Andreas Keller

Veranstaltungsart: Seminar

Anzeige im Stundenplan: MNDL/EUL3: Fischart

Semesterwochenstunden: 2

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 30

Anmeldegruppe: MNDL

Prioritätsschema: Priorisierung
Senatsrichtlinie:
Zulassung gemäß Richtlinie über den Zugang zu teilnahmebeschränkten Lehrveranstaltungen vom 07. März 2007.

Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte www.info.jogustine.uni-mainz.de/senatsrichtlinie

Über die Senatsrichtlinie hinaus werden bei der Platzvergabe für diese Veranstaltung Studierende höherer Fachsemester (4. - 6. Semester) bevorzugt berücksichtigt.

Kontingentschema: MNDL- HS

Inhalt:
In Johann Fischart lediglich einen sonderbaren Dichter des 16. Jahrhunderts zu sehen, wäre eine grobe Verkennung: vor dem Hintergrund der frühneuzeitlichen Debatten um die Möglichkeiten des Deutschen als Literatursprache nimmt er geradezu eine Schlüsselposition ein. In seiner unfaßlichen Spracherfindungskraft, die sich als ein kaum zu bändigender Strom von Wortfolgen, Sinnstrudeln und Klangexplosionen zeigt, bildet er den faszinierenden Gegenpol zum puristisch streng reglementierenden Martin Opitz. Fischart läßt seinen morphologischen Erfindungs- und semantischen Konnotationskaskaden freien Lauf und generiert damit Unmengen an bizarren Rohformen, die dann bereit stehen für kreative Neologismen und Wortschatzerweiterungen. So soll anderen Autoren Mut gemacht werden, ebenso Unkonventionelles zu probieren und zu produzieren, die deutsche Sprache mit allen in ihr steckenden Möglichkeiten über sich selbst hinaus wachsen zu lassen. Damit leistet Fischart einen fundamentalen Beitrag, das kreative Potential einer Sprache jenseits von Normen und Konventionen zu erkennen und hoch zu werten.
Allerdings betreibt Fischart Spiele mit der Sprache nicht zum Selbstzweck oder zur reinen Unterhaltung. Auch wenn körperliche Derbheiten und bisweilen ordinäre und zotige Episodik dies zusätzlich nahelegen könnten, sorgt der Autor bei aller Freude an der Form auch für deren lehrhaften Einsatz hinsichtlich ethischer Fragen. Immer stellt er kluge Verbindungen mit Tugendfragen her, als Satiriker mahnt er moralische Normverstöße an und zielt auf die eindringliche Unterweisung seiner Leser in gesellschaftlichen und religiösen Fragen. Vor allem betreibt er mit seinen technischen Sprachfreiheiten eine entschiedene Überwindung der Denkstarre, wie sie in der immer noch wirksamen mittelalterlichen Scholastik und der kirchlichen Dogmatik seiner Zeit üblich war, um auf die Ungebundenheit des menschlichen Geistes zu verweisen. Aber auch hier zerschlägt kein Atheist christliche Ordnungen, wie sich trotz herber Kritik seitens der kirchlichen Zensur zeigen läßt.
Fischart war nicht nur als Poet, sondern auch als Übersetzer, Herausgeber, Wissenschaftler, Jurist, Diplomat und Kontrovers-Theologe in das zeitgenössische Geschehen eingebunden. Im Spannungsfeld von poetologischen Reformen, bilingualem Sprachtransfer, territorialpolitischen Veränderungen und europäischem Wettbewerb zeigt sich das Werk des elsässischen Autors als ein faszinierender Brennpunkt einer literarischen Epoche. Mit seiner pragmatischen Stellungnahme im Streit um eine natürliche (Physei-Theorie) oder konventionsbedingte (Thesei-Theorie) Sprache prägte er sogar die aufkommende Sprachwissenschaft.
Die wissenschaftliche Analyse seiner Texte ist entsprechend anspruchsvoll. Hierzu will das Seminar einige Möglichkeiten kennenlernen und erproben. Im Abgleich mit der rhetorischen Tradition, aber auch im Stilkontrast mit anderen Autoren der Zeit sind ausgewählte Texte genau zu untersuchen. Wie verwirrt der Autor den Leser, etwa durch jähe Schauplatzwechsel oder extreme „Sprechgeschwindigkeit“ (Sommerhalder), wie sprengt er seine Vorlagen formal durch Exkurse, Einschübe und Mehrschichtigkeiten, woher nimmt er die entsprechenden Stoffe? Welchen Effekt haben kausale Verdrehungen, Phantastik und Groteske, die entgegen aller Logik und Naturgesetze jede Freiheit poetischer Imaginationskraft nutzen? Nach einführenden Betrachtungen zur Poetik und zum Literatursystem der Frühen Neuzeit sollen seine Werke dann im einzelnen betrachtet werden: Kirchenlieder, Bibeltexte, ein „Ehezuchtbüchlein“, ein ironisches Lob der Gicht und andere Ratgeberliteratur, ein philosophisches Wörterbuch, Vorreden zu alchimistischen Texten, Übersetzungen von Hexenliteratur, Satiren auf Katholizismus und Papsttum oder Eulenspiegelverse zeigen das breite Spektrum seiner publizistischen Tätigkeit, die über Buchdruck oder Flugschrift große Wirkung entfaltete. Die Übung am Text, ein genaues Studium der eigentümlichen Sprache und die exakte terminologische Beschreibung der Phänomene, aber auch Quellenklärung und Bewertung von Techniken der kombinierenden Übernahme sollen als Grundlage von Interpretation ganz besonders im Zentrum der Seminararbeit stehen. Vorerfahrungen mit der Epoche sind nicht erforderlich, wohl aber die Bereitschaft sich auf historisch fern liegende Objekte einzulassen.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Do, 21. Apr. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
2 Do, 28. Apr. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
3 Do, 5. Mai 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
4 Do, 12. Mai 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
5 Do, 19. Mai 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
6 Do, 26. Mai 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
7 Do, 9. Jun. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
8 Do, 16. Jun. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
9 Do, 30. Jun. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
10 Do, 7. Jul. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
11 Do, 14. Jul. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
12 Do, 21. Jul. 2011 10:15 11:45 00 134 Dr. Andreas Keller
Übersicht der Kurstermine
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  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
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Lehrende/r
Dr. Andreas Keller