Lehrende/r: Dr. Andreas Keller
Veranstaltungsart:
Hauptseminar
Anzeige im Stundenplan:
HS: Bildungswesen
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl:
- | 35
Anmeldegruppe: NdL 1
Prioritätsschema: Senatsrichtlinie
Zulassung gemäß Richtlinie über den Zugang zu teilnahmebeschränkten Lehrveranstaltungen vom 07. März 2007.
Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte www.info.jogustine.uni-mainz.de/senatsrichtlinie
Inhalt:
Der Bildungsbegriff des Zeitraums zwischen 1400 und 1750 basiert auf der sokratischen Auffassung, daß Gelehrsamkeit und Ethik in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Der moralische Niedergang der Kirche im Mittelalter galt als Folge mangelhafter Bildung, so daß die Anhebung des Bildungsniveaus im Humanismus nun auch zur Verbesserung der Sitten führen sollte. Da man sich hierbei vor allem auf Theorien, Modelle und Vorbilder der heidnisch-antiken Wissenschaft bezog, galt es immer wieder den Ausgleich mit der christlichen Dogmatik zu suchen. Die Spannung zwischen Bildung (eruditio) und Frömmigkeit (pietas), zwischen Athen und Jerusalem, letztendlich also auch der zwischen Humanismus und Reformation, zieht sich damit durch die gesamte Epoche. Unter dem Begriff der studia humanitatis setzte man den studia divinitatis seit dem 15. Jahrhundert nun anthropologisch und praxisorientierte Fächer entgegen, wie angewandte Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Poetik, Geschichtswissenschaft und Moralphilosophie. Diese sollten kein leeres oder selbstbezogenes Wissen anhäufen, sondern das Individuum zur moralischen Reife und seinem erfolgreichen Wirken im Gemeinwesen erziehen: Menschen werden nicht geboren, sondern gebildet, so spitzt es Erasmus von Rotterdam zu. Das Interesse der Humanisten richtete sich dabei insbesondere auf das Sprachvermögen des Menschen. Sprachliche Korrektheit und Schärfe, Ausdrucksvermögen und gedankliche Klarheit waren Lernziele im deutschen wie lateinischen Bereich. Welterfahrung, Erkenntnis und Wissenszuwachs resultieren vorwiegend aus intensiver Textarbeit und gelehrter Kommunikation. Als hilfreiche Medien bildeten sich Bibliographien, Editionen und Enzyklopädien, als praktische Übungen Nachdichtungen, Disputationen, Theaterspiel heraus. Im ständigen produktiven Nacheifern (imitatio) und im Wettstreit (aemulatio) mit den antiken wie zeitgenössischen Autoren sollte sich die Persönlichkeit des Individuums formen. Die ständige Warnung vor falschem Wissen und leichtfertigem Vergnügen verbindet sich mit der Erziehung zum kenntnis- wie tugendreichen vir bonus, der entscheidungssicher, überzeugungsstark und gottesfürchtig in der menschlichen Gemeinschaft wirken kann.Welche Personen und Programme es nun hierbei gab, untersucht das Seminar anhand einzelner Themenkomplexe (Pädagogiktheorie, ständisch gebundene Bildungseinrichtungen, Wissenssammlungen, Gedächtniskonzepte), Strömungen und Zeitabschnitte. Auch die von den Zeitgenossen aussagereich beklagten Fehlentwicklungen von Gelehrsamkeit sollen zur Sprache kommen: die entlarvende Gelehrtensatire, wie sie seit dem Büchernarren in Brants Narrenschiff auftritt, aber auch die konfessionell geprägten Warnreden, etwa vor dem Schwarzkünstler und Teufelsbündler Dr. Johann Faust und seinem verderblichen Hang zur verbotenen Neugier (curiositas) oder dem humanistischen Gelehrten Cenodoxus, der in Jakob Bidermanns gleichnamigen Jesuitendrama aufgrund seiner sündigen Selbstüberschätzung äußerst publikumswirksam der ewigen Verdammnis anheim fällt.
|