HS. Filmischer Realismus I: Poetischer Realismus

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Dr. Roman Mauer

Veranstaltungsart: Hauptseminar

Anzeige im Stundenplan:

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | -

Inhalt:
"Realismus im Film ist nicht identisch mit sogenannter objektiver Betrachtung der Dinge [...], sondern heißt, die Verhältnisse zu demaskieren, die wahren Absichten der Personen zu ergründen [...], aber auch den Menschen am Rande der Gesellschaft näher zu rücken, die sonst unbeachtet im Dunkel der Geschichte leben." (Th. Koebner)

Filmischer Realismus zieht sich wie ein roter Faden durch die Filmgeschichte, ohne dass die länderspezifischen Ausprägungen einander initiiert haben müssen: Neue Sachlichkeit in Deutschland (1920er), Sozialistischer Realismus in der Sowjetunion (1930-50er), Poetischer Realismus in Frankreich (1930-40er), Neorealismus in Italien (1940-50er), Free Cinema in England (1950-60er), und er hat nach der Ära der Postmoderne wieder an Kraft gewonnen (ein aktuelles Beispiel: das belgische Kino der Dardenne-Brüder). Gemeinsam ist all diesen Bewegungen die Milieustudie, die Sozialkritik, die Tendenz zum Dokumentarischen, mit dem "Realitätseffekte" (R. Barthes) erzielt werden: der Eindruck intensiver Erfahrungswirklichkeit. Es ist ein Kino, das nicht "bigger than life" sein will. Ihm genügt das Drama im kleinen Leben, die Zwänge der Liebe, die Tragödien des Alltags, die Menschen bis zum Äußersten treiben können. Im filmischen Realismus ist die Leinwand keine Grenze, sondern Kontaktfläche zwischen Gesellschaft und Kunst.

Der Poetische Realismus, mit dem wir uns im Sommersemester beschäftigen, umfasst die künstlerisch aufregendsten Filme des französischen Films der 1930er Jahre. Mit Blick auf das gesellschaftliche Klima der Vorkriegszeit und unter Erörterung der Theorien von Siegfried Kracauer und André Bazin (u.a.) widmet sich das Seminar den Meistern dieses Kinos:
- Jean Renoirs Poetik der Tiefeninszenierung, Improvisation und furiosen Bildmetaphorik (LA CHIENNE / DIE HÜNDIN, 1931, TONI, 1935, LE CRIME DE MONSIEUR LANGE / DAS VERBRECHEN DES HERRN LANGE, 1936, LA BÊTE HUMAINE / BESTIE MENSCH, 1938),
- Marcel Carnés Poetik der Blicke und Jacques Préverts exzentrische Phantasie; beide schufen mit QUAI DE BRUMES / HAFEN IM NEBEL (1938) und LE JOUR SE LÈVE / DER TAG BRICHT AN (1938) paradigmatische Filme und schrieben mit LES PORTES DE LA NUIT / PFORTEN DER NACHT (1946) dem Poetischen Realismus die Koda,
- sowie: Jean Vigo (L'ATALANTE, 1934), Jacques Feyder (PENSION MIMOSAS / SPIEL IN MONTE CASINO, 1935), Julien Duvivier (LA BANDERA / KOMPANIE DER VERLORENEN, 1935, LA BELLE ÉQUIPPE / ZÜNFTIGE BANDE, 1936, PÉPÉ LE MOKO / PÉPÉ LE MOKO - IM DUNKEL VON ALGIER, 1936), Pierre Chenal (LA RUE SANS NOM / STRASSE OHNE NAMEN, 1933, LE DERNIER TOURNANT / DIE LETZTE WENDE, 1939), Jean Grémillon (REMORQUES / SCHLEPPKAEHNE, 1939/40) und Albert Valentin (L'ENTRAINEUSE / DIE ANIMIERDAME, 1938).
Ein Schwerpunkt gilt auch Jean Gabin, zentraler Schauspieler in diesem "Universum der Verlorenheit und Verdammtheit" (G. Vincendeau), der wortkarg und aufrecht den tragischen Helden zur letzten Konsequenz führte.

Empfohlene Literatur:
Edward Baron Turk: Child of Paradise. Marcel Carné and the Golden Age of French Cinema. Cambridge 1989. – André Bazin [1958]: Jean Renoir. Frankfurt a. M. 1980. – André Bazin [1975]: Was ist Film? Berlin 2004. – Colin Crisp: The Classic French Cinema. 1930-1960. London, New York 1997. – Siegfried Kracauer [1960]: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Frankfurt a.M. 1964. – John W. Martin: The Golden Age of French Cinema 1929-1939. Paris 1988. – Anja Sieber: Vom Hohn zur Angst. Die Sozialkritik Jacques Préverts in den Filmen von Marcel Carné. Rodenbach 1993. – Jerzy Toeplitz: Geschichte des Films, Bd. 3 (1934-1939). Berlin 1992, S. 146-181. – Ginette Vincendeau: The Companion to French Cinema. London 1996. – Jean Renoir und die Dreißiger. Soziale Utopie und ästhetische Revolution. München 1995. (Cicim 42.)

Zusätzliche Informationen:
In jeder Sitzung wird der thematisierte Film zunächst ganz gesehen und im Anschluss mit einem Referat und einer Diskussion analysiert, kontextualisiert und theoretisch eingebettet. Dieser in das Seminar eingebundene Sichttermin ist verpflichtend.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Di, 21. Apr. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
2 Di, 28. Apr. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
3 Di, 5. Mai 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
4 Di, 12. Mai 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
5 Di, 19. Mai 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
6 Di, 26. Mai 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
7 Di, 2. Jun. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
8 Di, 9. Jun. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
9 Di, 16. Jun. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
10 Di, 23. Jun. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
11 Di, 30. Jun. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
12 Di, 7. Jul. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
13 Di, 14. Jul. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
14 Di, 21. Jul. 2009 10:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Roman Mauer
Übersicht der Kurstermine
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
  • 9
  • 10
  • 11
  • 12
  • 13
  • 14
Lehrende/r
Dr. Roman Mauer