HS. Der RAF-Komplex im Spiel- und Dokumentarfilm

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Dr. Oliver Keutzer

Veranstaltungsart: Hauptseminar

Anzeige im Stundenplan:

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | -

Voraussetzungen / Organisatorisches:
Die Teilnahme am Seminar erfordert die Bereitschaft, sich über die behandelten Filme hinaus mit den historisch-politischen Hintergründen und Zusammenhängen der Bundesrepublik Deutschland in den 60er und 70er Jahren auseinanderzusetzen. Der Erwerb eines qualifizierten Scheins setzt die Übernahme eines Referats und das Anfertigen einer schriftlichen Hausarbeit voraus.

Inhalt:
Als die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) mit ihrer Auflösungserklärung vom 20. April 1998 die fast 30jährige kriegerische Auseinandersetzung mit der damaligen Bundesrepublik Deutschland beendet, tut sie das mit einem Filmzitat: „Die Revolution sagt: / ich war / ich bin / ich werde sein“, ein Ausspruch Rosa Luxemburgs, der auf den Dichter Ferdinand Freiligrath zurückgeht und in Alexander Kluges Beitrag zum Gemeinschaftsfilm „Deutschland im Herbst“ (1978) an prominenter Stelle rangiert.

Vorbei ist seit 1998 eine Spirale der Gewalt, der beinahe 40 Polizisten, US-Soldaten, Politiker, Manager und deren Begleiter sowie fast 30 Mitglieder der RAF, der „Bewegung 2. Juni“ und der „Revolutionären Zellen“ zum Opfer fielen; noch längst nicht beendet scheint dagegen der „Krieg der Bilder“, die mediale Seite jenes ideologischen Konflikts der „Sechs gegen 60 Millionen“ (Heinrich Böll, mit Blick auf die 1. Generation der RAF), der die Frage nach Gewalt und Gegengewalt, das Verhältnis von „Tätern“ und „Opfern“ immer wieder aufs Neue problematisiert. Noch heute, etwas mehr als zehn Jahre nach der Auflösung der RAF und ca. 40 Jahre nach den gesellschaftlichen Verwerfungen des Jahres ´68, bleibt der „RAF-Komplex“ eine Kontroversfrage deutscher Zeitgeschichte.

Das Hauptseminar will die filmischen Repräsentationen jenes gesellschaftlichen Ausnahmezustandes, jener „bleiernen Zeit“ (Margarethe von Trotta) aufarbeiten und kritisch analysieren: Roman Brodmanns Dokumentation POLIZEISTAATSBESUCH (1967), entstanden anlässlich des Besuchs des persischen Schahs, hält das brutale Vorgehen deutscher Polizei und bezahlter „Jubelperser“ gegen protestierende Studenten fest. In den 70er Jahren setzt sich der Neue Deutsche Film mit dem Double aus „Terror und Trauma“ (Thomas Elsaesser) auseinander: Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta in DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (1975), Fassbinder in DIE DRITTE GENERATION, Alexander Kluge, Edgar Reitz, Volker Schlöndorff u.a. in DEUTSCHLAND IM HERBST. In diesen höchst heterogenen filmischen Ansätzen bündeln sich zum einen offene Kritik am Obrigkeitsdenken der 70er Jahre und Sympathie für die Rebellion gegen eine als autoritär empfundene Gesellschaft, die scheinbar niemals mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit gebrochen hatte. Zum anderen sprechen diese Filme vom Entsetzen über die zunehmende Eskalation der Gewalt sowie vom problematischen Ringen der FilmemacherInnen um eigenständige Positionen jenseits von Sympathisantentum und politischer Vereinnahmung.

So wie sich die historische Aufarbeitung der RAF und ihres mehrere „Generationen“ umfassenden, gewaltsamen Kampfes in der Schnittmenge zwischen individuellem und kollektivem Gedächtnis bewegt, so überschneiden sich in vielen filmischen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen des Terrors von links dokumentarische und fiktionale Strategien: Reinhard Hauffs STAMMHEIM (1986) und Heinrich Breloers MOGADISCHU und TODESSPIEL (1997) sollen im Seminar besondere Beachtung finden.

Bei der filmhistorischen Aufarbeitung der RAF bietet sich ferner Hayden Whites Konzept der „Metahistory“ an: White spricht der Geschichtswissenschaft die Fähigkeit zur Objektivität ab und erklärt historische Forschung als „Modellierung“ („emplotment“) geschichtlicher Berichte zu „Romanzen“, „Komödien", „Tragödien" oder „Satiren“. Spannende Ergebnisse verspricht die Anwendung dieses Konzepts auf die medienwirksame Selbstinszenierung der RAF sowie auf die posthume Stilisierung ihrer Protagonisten zu mythischen Märtyrern (Gerd Conradts STARBUCK HOLGER MEINS, 2002) oder coolen Pop-Ikonen (Christopher Roths BAADER, 2002). Des Weiteren könnten gerade die jüngsten filmischen Versuche, den RAF-Terror darzustellen – Uli Edels DER BAADER MEINHOF KOMPLEX (nach der Vorlage von Stefan Aust) und Roland Suso Richters MOGADISCHU – nach Ansätzen einer Re-Mythisierung von Geschichte befragt werden: Wo Edel die Dekade zwischen 1967 und 1977 auf das Panorama eines knapp dreistündigen Kugel- und Bombenhagels reduziert, zielt Richter bei der Inszenierung der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ auf eine fernsehtaugliche Emotionalisierung, indem er sich auf die Perspektive der Opfer beschränkt und gleichzeitig die Crew zu Identifikations- und Heldenfiguren stilisiert.

Empfohlene Literatur:
Filme: POLIZEISTAATSBESUCH. BEOBACHTUNGEN UNTER DEUTSCHEN GASTGEBERN (BRD 1967, Roman Brodmann) – DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (BRD 1975, Volker Schlöndorff / Margarethe von Trotta) – DEUTSCHLAND IM HERBST (BRD 1978, Alexander Kluge / R.W. Fassbinder / Edgar Reitz / Volker Schlöndorff u.a.) – MESSER IM KOPF (BRD 1978, Reinhard Hauff) – DIE DRITTE GENERATION (BRD 1979, R.W. Fassbinder) – DIE BLEIERNE ZEIT (BRD 1981, Margarethe von Trotta) – STAMMHEIM. DIE BAADER-MEINHOF-GRUPPE VOR GERICHT (1986, Reinhard Hauff) – MOGADISCHU / TODESSPIEL (D 1997, beide: Heinrich Breloer) – DAS PHANTOM (D 2000, Dennis Gansel) – DIE STILLE NACH DEM SCHUSS (D 2000, Volker Schlöndorff) – BLACK BOX BRD (D 2001, Andres Veiel) – DIE INNERE SICHERHEIT (D 2001, Christian Petzold) – BAADER (D 2002, Christopher Roth) – STARBUCK HOLGER MEINS (D 2002, Gerd Conradt) – DER BAADER MEINHOF KOMPLEX (D 2008, Uli Edel) – MOGADISCHU (D 2008, Roland Suso Richter).

Literatur: Petra Kraus (Hrsg.): Deutschland im Herbst. Terrorismus im Film. München 1997 (G07 Gesch 21) – Stefan Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex. München 1998 – Stefan Liebchen: Die RAF im bundesdeutschen Film unter besonderer Berücksichtung der Familien- und Generationskonflikte. Magisterarbeit am Seminar für Filmwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität. Mainz 2003 (G07 Gesch 22) – Thomas Elsaesser: Terror und Trauma. Zur Gewalt des Vergangenen in der BRD. Berlin 2006/07 – Willi Winkler: Die Geschichte der RAF. Berlin 2007 – Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF. Bonn 2008.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Do, 23. Apr. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
2 Do, 30. Apr. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
3 Do, 7. Mai 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
4 Do, 14. Mai 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
5 Do, 28. Mai 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
6 Do, 4. Jun. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
7 Do, 18. Jun. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
8 Do, 25. Jun. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
9 Do, 2. Jul. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
10 Do, 9. Jul. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
11 Do, 16. Jul. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
12 Do, 23. Jul. 2009 12:15 13:45 00 211 Hörsaal Dr. Oliver Keutzer
Übersicht der Kurstermine
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Dr. Oliver Keutzer