07.092.030 Vorlesung Positionen Kunst 1: Caravaggios Erben: Maler und Auftraggeber im barocken Neapel

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra

Veranstaltungsart: Vorlesung

Anzeige im Stundenplan: 07.092.030

Credits: 3,0

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: 3 | -

Anmeldegruppe: Vorlesungen Positionen Kunst 1 im Vorlesungsmodul Kern- und Beifach, WS 2016/17

Voraussetzungen / Organisatorisches:
Die Vorlesung ist öffentlich und kann ohne spezifische Voraussetzungen gehört werden. Es wird erwartet, dass der Besuch der Vorlesung regelmäßig stattfindet. 
 

Inhalt:
Die Vorlesung versteht sich als Vertiefung der vom 14. Oktober bis 14. Februar im Museum Wiesbaden laufenden Ausstellung: „Caravaggios Erben. Barock in Neapel“.

Grundlage ist der gleichnamige von Peter Forster, Elisabeth Oy-Marra und Heiko Damm herausgegebene Katalog.

Einführung:
Als zentraler Warenumschlagsplatz war die seit 1503 unter der Herrschaft der spanischen Vizekönige stehende Hafenmetropole im 17. Jahrhundert von Händlern aus allen Teilen Europas und Übersee bevölkert. Doch konzentrierten sich die Reichtümer in den Händen Weniger, weshalb die Lebensverhältnisse der ständig wachsenden Bevölkerung immer schwieriger wurden. Charakteristisch für die Stadt am Vesuv waren daher ihre harschen Kontraste zwischen der weiten Ausdehnung der Stadt am Meer und ihrem reichen Umland und der Armut der in beengtem mittelalterlichem Zentrum lebenden Bevölkerung. Die daraus resultierenden sozialen Spannungen entluden sich 1647 in dem ganz Europa aufwühlenden Volksaufstand unter der Führung des Fischers Masaniello. Erst nach der Niederschlagung der Revolte kehrte eine zumindest vordergründige Stabilität der Verhältnisse ein, die Vizekönige und Kirche zur zur repräsentativen Kunstpatronage nutzen konnten. Eine weitere Bedrohung stellte der stetig brodelnden Vesuv dar, der 1631 ausbrach und tausenden in den Tod riss. Die Urgewalt des Vulkans stellte eine stetige Bedrohung dar und prägte das künstlerische Bild einer unbändigen und gefährlichen Natur.

Die Prosperität der Stadt zog zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch viele Künstler in die Stadt. Die Bautätigkeit der mächtigen Ordensniederlassungen und das Repräsentationsbedürfnis der Vizekönige versprachen Arbeit und Ruhm. Eine einzigartige Synthese von Caravaggios radikalen Naturalismus und erdiger Farbigkeit erreichte der aus Valencia stammende Jusepe de Ribera, dessen häufig grausamen Motive sowie sein anatomisches Interesse am menschlichen Körper die Errungenschaften der neuartigen Hell-Dunkle Malerei erst richtig zur Geltung brachte. Von den kirchlichen Auftraggebern wurden stattdessen Künstler wie Domenico Zampieri, genannt Domenichino und Giovanni Lanfranco favorisiert, die aus der Schule eines anderen großen Reformers der Malerei jener Zeit, Annibale Carracci, stammten. Obwohl selbst untereinander verfeindet vertraute man ihnen sehr zum Ärger vieler alteingesessener Maler die Prestige bringenden Freskenaufträge im Dom und in verschiedenen Ordenskirchen an. Es zeugt von der Fähigkeit zur Übernahme des Fremden und von der Bereitschaft zum künstlerischen Transfer, den gerade von diesen Werken sollten wichtige Impulse für die Neapolitanische Schule ausgehen. Zahlreiche neapolitanische Künstler wie Fabrizio Santafede, Battistello Caracciolo oder aber auch Artemisia Gentileschi die lange in Neapel lebte, hatten sich hingegen intensiv mit Caravaggios Malerei auseinandergesetzt und sie im Hinblick auf eine immer dramatischere Darstellungsweise und lebhafte Farbigkeit weiterentwickelt. Sie führten Caravaggios Erbe nicht nur im charakteristischen close up der Figuren weiter, sondern entwickelten einen pastoseren und damit naturalistisch und sinnlich wirkenden Farbauftrag. Gerade aus dieser Perspektive wird deutlich, dass sich in Neapel nicht die in Rom und der Emilia so erfolgreiche, akademisch ausgerichtete Malerei der Carracci durchsetzen konnte, sondern vor allem die auf genauer Realitätsbeobachtung und wirkungsvollem Helldunkel Malerei eines Caravaggio durchsetzte. Künstler wie Massimo Stanzione, Francesco Guarino, Andrea Vaccaro und Bernardo Cavallino etablierten schließlich eine lokale Tradition der tenebrosen (düsteren) Malerei. Insbesondere im Werk von Massimo Stanzione erlangte diese Strömung eine publikumswirksame Eleganz. Gegen Mitte des 17. Jahrhunderts betrat dann eine neue Generation von heimisch geschulten Malern die Bühne, die sich zumeist mit kleinfigurigen Bildern teils mit konkreter Alltagswirklichkeit, teils mit kriegerischen und düster gespenstischen Szenen auseinandersetzte. Salvator Rosa griff diese neuen Themen auf und entwickelte sie im Gedankenaustausch mit gebildeten Sammlern und Förderern auf originelle Weise weiter. Obwohl die Kirche der wichtigste Auftraggeber blieb, blühten mit Genre- Veduten und Stilllebenmalerei auch vormals als „niedrig“ angesehene Bildgattungen auf. Zu den auf Architektur-Capricci, Schlachten und Wegelagerer Szenen spezialisierten Malern zählte auch Domenico Gargiulo, der vor allem aufgrund jener Gemälde, die den Masaniello-Aufstand und seine brutale Niederschlagung dokumentierten, über die Grenzen Neapels bekannt wurde. Mit ihrem Fokus auf das durch die Erhebung ausgelöste Chaos und die darauf folgende brutale Repression bezeugten die Massenszenen auf unkonventionelle Weise den zeitgenössischen Blick auf eine außer Kontrolle geratene gesellschaftliche Situation. Erst während der Konsolidierungsphase, die nach der Niederwerfung des Volksaufstanden einsetzte, entstanden unter den nun politisch geschickter agierenden Vizekönigen die großen Werkstätten von Luca Giordanos und Francesco Solimenas, die auf der Grundlage der künstlerischen Errungenschaften des frühen 17. Jahrhunderts mithilfe ihrer spanischen Auftraggeber die „Marke“ der neapolitanischen Malerei entwickelten und diese mit Erfolg exportierten. Beide Künstler verstanden es auf einzigartige Art und Weise, die vor ihnen entwickelte Strategie der Überwältigung in eine neue Form zu überführen. Ihre Werke vollendeten den inszenatorischen Geist des Heiligen Theaters und schufen kraftvolle und kontrastreiche Meisterwerke die mit ihren theatralisch inszenierte Bildwelten, die Betrachter in den Bann zogen und deren Pathos durch effektvolles Bühnenlicht noch gesteigert wurde. Vor allem durch den wandlungsfähigen Luca Giordano, der sich unterschiedlichste Stile produktiv aneignete und in Auseinandersetzung mit Ribera, Rubens und den großen Venezianern eine virtuose Schnellmalerei entwickelte, wurde die neapolitanische Schule zum Exportschlager, wovon unter anderem seine Freskenzyklen in Florenz und im Escorial Zeugnis ablegen. Mit seinen beeindruckenden Kuppelausmalungen in Neapels Kirchen gelang es ihm, die Errungenschaften Giovanni Lanfrancos mit denjenigen des römischen Barockmalers Pietro da Cortona zu verschmelzen. Durch seine bewusste Aneignung historischer Merkmale und seine Einfühlung in fremde Stile die er in sein Werk integrierte, vollzog er eine Transferleistung der besonderen Art. Es war schließlich Giordanos bedeutendsten Schüler, Francesco Solimena vorbehalten, das Erbe der Hell-Dunkelmalerei zu einer Bildrhetorik von markanter Plastizität und ornamentaler Grandezza zu transformieren. In kraftvollen Hell-Dunkle kühn komponiert, dekorativ und zugleich realistisch, raffiniert und dennoch klar, erfand er einen unvergleichlichen Bühnenaufbau, gespickt mit Exotik und nobler Glanz in eleganter Fülle, die charakteristisch für seine Malerei sind. Merkmale, die auf Künstler bis nach Mitteleuropa ausstrahlten, da seit 1713 die Habsburger das Vizekönigtum Neapel regierten und indessen Folge auch der Wiener Adel zu den wichtigsten Auftraggebern des Künstlers zählte. Zwar blieb die neapolitanische Schule auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bedeutsam, doch schon um die Jahrhundertmitte begann deren Vormachtstellung langsam aber sicher zugunsten von Venedig zu bröckeln.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Di, 25. Okt. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
2 Di, 8. Nov. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
3 Di, 15. Nov. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
4 Di, 22. Nov. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
5 Di, 29. Nov. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
6 Di, 6. Dez. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
7 Di, 13. Dez. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
8 Di, 20. Dez. 2016 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
9 Di, 10. Jan. 2017 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
10 Di, 17. Jan. 2017 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
11 Di, 24. Jan. 2017 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
12 Di, 31. Jan. 2017 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
13 Di, 7. Feb. 2017 16:15 17:45 02 521 HS Kunstgeschichte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
Übersicht der Kurstermine
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