Lehrende/r: Dr. phil. Julia Brühne
Veranstaltungsart: Ringvorlesung
Anzeige im Stundenplan: VL KW
Semesterwochenstunden: 2
Credits: 2,0
Unterrichtssprache: Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | -
Prioritätsschema: Senatsrichtlinie Zulassung gemäß Richtlinie über den Zugang zu teilnahmebeschränkten Lehrveranstaltungen vom 07. März 2007. Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte www.info.jogustine.uni-mainz.de/senatsrichtlinie
Voraussetzungen / Organisatorisches:
Inhalt: Der Topos der Grenze – sei sie unmittelbar geographisch oder symbolisch kodiert – ist aus der Kultur- und Literaturwissenschaft kaum wegzudenken. J. Lotman erkennt die Grenze und ihre Überschreitung im literarischen Text als sujetkonstituierend und kategorisiert die von den Figuren vollzogenen topographischen wie semantischen Grenzüberschreitungen, abhängig vom Erfüllungsgrad, als revolutionär oder restitutiv für die bestehende gesellschaftliche Ordnung. Hieraus ergeben sich bestimmte Sujets, wie beispielsweise das Domestikationssujet oder das Aufsteigersujet (A. Mahler). Während ersteres kritisch oder affirmativ von der Domestizierung einer weiblichen Figur erzählt, die die Grenze des weiblichen Innenraums überschreitet und sich durch List und/oder Verkleidung an eine Position im männerdominierten Außenraum zu katapultieren sucht, geht es im Aufsteigersujet, wo eine Figur niederer Klassenzugehörigkeit sich (vorübergehend) an den Platz des Adels oder der Bourgeoisie zu setzen vermag, häufig um die Bannung des potentiell bedrohlichen ‚Klassenparasiten‘ im Modus des Komischen. Performative Grenzziehung in der Kunst bedeutet somit auch häufig eine (gezwungene) Auseinandersetzung der Gesellschaft mit ihrem eigenen, ausgestoßenen Anderen. Ausgangspunkt der Vorlesung wird die spanische Frühe Neuzeit und ihre teils exzessive Veranschaulichung gelungener oder aber fehlgeschlagener weiblicher Domestikationssujets sein. Texte wie Cervantes’ El celoso extremeño oder María de Zayas’ El prevenido engañado werden ebenso unter dem Topos einer Grenzästhetik zu diskutieren sein wie Tirso de Molinas Don Gil de las calzas verdes. Die französische Phantastik des 19. Jahrhunderts, allen voran Théophile Gautier, Prosper Mérimée oder Guy de Maupassant, interessiert sich ebenfalls für weibliche otherness, allerdings kommt hier ein postrevolutionäres Element hinzu, das nicht nur die Frau, sondern auch unheimliche adlige Alterität grotesk verzerrt und mittels phantastischem Erzählausgang zu bannen bzw. zu be-grenzen sucht. Das 20. Jahrhundert beginnen wir in Italien mit Tommaso Landolfis Grenzgängerroman Racconto d’autunno, einer kuriosen Mischung aus Neorealismus und Gothic Novel und Michelangelos Antonionis poetischem Film Il deserto rosso, einer weiteren Collage weibliche Alterität, die nicht zuletzt die Grenzen verhandelt, die der Kapitalismus dem Individuum auferlegt. Mit Grenzen des Ästhetischen spielen schließlich Pedro Almodóvar (Laberinto de Pasiones) und Robert Rodríguez (Machete): Jene Filme, die im Modus des ‚Ekelhaften‘ die Grenzen des ‚guten Geschmacks‘ überschreiten, sollen zum Anlass genommen werden, die Funktion neuer räumlicher und symbolischer Grenzen in der Postmoderne zu skizzieren und nach zeitgenössischen Formen der Ausgrenzung gesellschaftlicher otherness zu fragen.
