Lehrende/r: Dr. phil. Julia Brühne
Veranstaltungsart: Vorlesung
Anzeige im Stundenplan: VL KW
Semesterwochenstunden: 2
Credits: 2,0
Unterrichtssprache: Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | -
Prioritätsschema: Senatsrichtlinie Zulassung gemäß Richtlinie über den Zugang zu teilnahmebeschränkten Lehrveranstaltungen vom 07. März 2007. Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte www.info.jogustine.uni-mainz.de/senatsrichtlinie
Inhalt: Wenn ein politisches System in die Krise gerät oder gestürzt wird, muss zumeist auch die Frage nach der Legitimation der (darauffolgenden) Herrschaftsform neu verhandelt werden. So bedeutet die Französische Revolution zum einen Trauerarbeit am verlorenen Königssignifikanten, zum anderen müssen die auf 1789 folgenden Staatsformen immer wieder auf ihre substantielle Legitimation hin befragt werden. Ähnliches geschieht im postkolonialen Lateinamerika, wo die neuen kreolischen Subjektivitätsentwürfe mit der verdrängten Erinnerung an die indigenen Ureinwohner kollidieren und die eigene fragile Identität den Wettbewerb mit europäischen und US-amerikanischen Modellen zugleich scheut und herausfordert. Als ähnlich schwierig erweist sich Jahrzehnte später die spanische transición, der Übergang von der franquistischen Diktatur zur modernen (turbo-)kapitalistischen Demokratie. Wo immer nun ein Staat solchermaßen auf der psychoanalytischen Couch 'Platz nimmt', entstehen Texte und Filme, die die nicht selten neurotische Souveränitätsproblematik symptomatisch ausstellen. Eine besonders prominente Figur, die den kuriosen In-Between-Status des im Übergang begriffenen politischen Systems plastisch zum Ausdruck bringt, ist das Phantom. So erschaffen Pierre Souvestre und Marcel Allain Ende des 19. Jahrhunderts den geisterhaften Superverbrecher Fantômas, der zunächst mit Feuillades Stummfilmepisoden und dann mit Jean Marais und Louis de Funès bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Konjunktur hat. In Argentinien verfasst Julio Cortázar phantastische Erzählungen, die häufig um einen geisterhaften Kern kreisen, der nie ganz zu fassen ist, sich als ‚das Andere‘ des europäisierten Lateinamerikaners lesen lässt und für Regisseure wie Michelangelo Antonioni zur Inspirationsquelle wird: So entstehen denn auch im ‚beruhigten‘ Italien der 50er und 60er Jahre immer wieder Filme wie Cronaca di un amore, L‘avventura oder Blow-up, die den brutalen Schnitt zwischen postmodernem Konsumkapitalismus und der Suche nach Authentizität und Transzendenz mithilfe spektraler Körper inszenieren – sei es der unsichtbare Blick einer verschwundenen Frau oder ein nur in der Phantasie existierender Tennisball. In Spanien lassen sich Alejandro Amenábars Abre los ojos oder The Others schließlich als späte Nachverhandlungen des Bürgerkriegs und zugleich als Allegorien zeitgenössischer Souveränitätsproblematiken lesen. In der Vorlesung wollen wir uns den verschiedenen Formen der Verhandlung von Souveränität, Subjektivität und politischer Krisenhaftigkeit widmen. Neben einschlägigen Theorien zur Souveränität stehen hierbei detaillierte Lektüren der Primärtexte und Filme im Vordergrund.