Lehrende/r: Dr. Tobias Christian Weißmann
Veranstaltungsart:
Übung
Anzeige im Stundenplan:
Ü.Angew.Mus.Med.Kün
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl:
1 | 20
Voraussetzungen / Organisatorisches:
Die Lehrveranstaltung richtet sich gleichermaßen an Studierende der Musikwissenschaft und der Kunstgeschichte.
Inhalt:
Über drei Jahrhunderte beherrschte die Familie der Medici die Stadt Florenz und sorgte durch ihre reiche Kunst- und Musikpatronage für eine unvergleichliche kulturelle Blüte in der Toskana der Frühen Neuzeit. Im 14. Jahrhundert durch Textilhandel zu Wohlstand gekommen, erwarben die Medici durch geschickte Bankgeschäfte innerhalb von nur drei Generationen einen unermesslichen Reichtum, der sie zunächst die Florentiner Republik politisch dominieren ließ, bevor sie diese in ein Herzog- und schließlich in ein Großherzogtum umwandelten, das sie bis zum Aussterben der Dynastie im Jahr 1737 regieren sollten.
Den bis in die Gegenwart reichenden Ruhm der Medici begründeten die Ahnherren Cosimo, Piero di Cosimo und Lorenzo il Magnifico, indem sie herausragende Künstler, Musiker, Literaten und Philosophen förderten, die Florenz zum Zentrum der Renaissance machten. Die Einführung der Zentralperspektive, das auf Antiken- und Naturstudium basierende neue Verständnis des menschlichen Körpers und die von der Kunsttheorie propagierte zentrale Bedeutung des disegno waren Innovationen, die der Arnostadt eine spezifische künstlerische Identität verliehen und einen europaweiten Einfluss zeitigten. Noch heute locken die epochemachenden Werke Donatellos, Leonardo da Vincis, Michelangelo Buonarrotis, Sandro Botticellis und vieler mehr alljährlich Millionen Touristen nach Florenz.
Das frühe musikalische Mäzenatentum der Medici manifestierte sich in der Gründung von Sängerkapellen am Baptisterium und am Dom, in der Etablierung der von nördlich der Alpen importierten Mehrstimmigkeit und im Unterhalt einer zunehmend elaborierten Hofmusik. Die Wahl zweier Päpste aus dem Hause Medici, Clemens VII. und Leo X., und die Verheiratung Caterina und Maria de’ Medicis mit Königen von Frankreich sorgten für einen überaus regen Kulturtransfer zwischen Rom, Florenz und Paris. In den mit großem künstlerischen und finanziellen Aufwand begangenen Hochzeitsfesten der Medici-Fürsten, die allegorische Prunkzüge, Schauturniere und Reiterballette umfassten, wirkten führende Künstler, Musiker und Literaten zusammen. Besondere Berühmtheit erlangten die zwischen den Akten antikisierender Theaterstücke aufgeführten Intermedien, die in ihrem Zusammenspiel aus musikalischen und tänzerischen Elementen mit Bühnenbildern und Maschineneffekten als Inkunabel der Oper gelten dürfen. Um 1600 führten die in den Akademien und der privaten camerata des Grafen Giovanni de’ Bardi geführten Diskussionen um die Musik der griechischen Antike zu den ersten Opern Jacopo Peris und Giulio Caccinis, die vorbildhaft für das barocke Musiktheater werden sollten.
?Konzentrieren sich das öffentliche Interesse und die Forschung weitgehend auf das Florenz der Renaissance, wirkte hier auch im 17. und frühen 18. Jahrhundert eine vibrierende Kunstszene, die sich in Meisterwerken wie Pietro da Cortonas Deckengemälden in den Planetensälen im Palazzo Pitti, den monumentalen Grabmonumenten der Medici-Großherzöge in der Cappella Medici und der Florentiner Bronzekunst des Spätbarock niederschlug und durch die Ende des Seicento in Rom gegründete großherzogliche Akademie wichtige Impulse erhielt.
Die interdisziplinäre Lehrveranstaltung gibt einen Überblick über den bildkünstlerisch-musikalischen Kosmos Florenz von der Frührenaissance bis zum Ende der Medici-Dynastie. Hierbei werden beispielhaft herausragende Werke in ihrer künstlerischen Qualität und vor dem sozial- und kulturhistorischen Kontext gemeinsam analysiert. Die Übung bzw. das Seminar richtet sich gleichermaßen an Studierende der Kunstgeschichte und der Musikwissenschaft.
Empfohlene Literatur:
ATKINSON, NIALL: The Noisy Renaissance. Sound, Architecture, and Florentine Urban Life, University Park, PA 2016
AVERY, CHARLES: Giambologna. The Complete Sculpture, Oxford 1987
BELLESI, SANDRO/RICCARDO GENNAIOLI/EIKE SCHMIDT (Hg.): Forged in Fire. Bronze Sculpture in Florence Under the Last Medici (Ausst.Kat., Palazzo Pitti, Florenz 2019–2020), Livorno 2019
BLUMENTHAL, ARTHUS R.: Giulio Parigi’s Stage Designs. Florence and the Early Baroque Spectacle. New York 1986
BREDEKAMP, HORST: Botticelli, Primavera. Florenz als Garten der Venus, Frankfurt am Main 1988
BREDEKAMP, HORST: Florentiner Fußball. Die Renaissance der Spiele. Calcio als Fest der Medici, Frankfurt/Main 1993
CARTER, TIM: Orpheus in the Marketplace: Jacopo Peri and the Economy of Late Renaissance Florence, Cambridge Mass. 2013 (I Tatti Studies in Italian Renaissance History
CAMPBELL, MALCOM: Pietro da Cortona at the Pitti Palace. A Study of the Planetary Rooms and Related Projects, Princeton 1977 (Princeton Monographs in Art and Archaeology 41)
CUMMINGS, ANTHONY M.: The politicized Muse. Music for Medici Festivals, 1512–1537, Princeton 1992
GAVITT, PHILIP: Gender, Honor, and Charity in Late Renaissance Florence, Cambridge 2011
GIUSTI, ANNAMARIA/JUTTA FRINGS (Hg.): Florenz! Die Stadt der Medici kommt an den Rhein (Ausst.Kat., Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2013–2014), München 2013
KIRKENDALE, WARREN: The Court Musicians in Florence During the Principate of the Medici. With a Reconstruction of the Artistic Establishment, Florenz 1993 (Historiae musicae cultores 61)
LEOPOLD, SILKE: Die Oper im 17. Jahrhundert, Laaber 2006 (Handbuch der musikalischen Gattungen 11)
NAGLER, ALOIS M.: Theatre Festivals of the Medici 1539–1637, New Haven 1964
NETHERSOLE, SCOTT: Art and Violence in Early Renaissance Florence, New Haven 2018
PAPIRO, MARTINA: Choreographie der Herrschaft. Stefano della Bellas Radierungen zu den Reiterfesten am Florentiner Hof 1637–1661, Paderborn 2016 (Berliner Schriften zur Kunst)
POESCHKE, JOACHIM: Die Skulptur der Renaissance in Italien. Donatello und seine Zeit, 1990
POESCHKE, JOACHIM: Die Skulptur der Renaissance in Italien. Michelangelo und seine Zeit, 1990
POPE-HENNESSY, JOHN WYNDHAM: Cellini, London 1985
OY-MARRA, ELISABETH: Florentiner Ehrengrabmäler der Frührenaissance, Berlin 1994 (Frankfurter Forschungen zur Kunst 18)
REINHARDT, VOLKER: Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance, München 1998
RIEDERER, BARBARA: Florentinische Feste des Spätbarock. Ein Beitrag zur Kunst am Hof der letzten Medici 1670–1743, Frankfurt a. M. 1978 (Kunstgeschichte 1)
TREADWELL, NINA K.: Music and Wonder at the Medici court. The 1589 interludes for ’La Pellegrina’, Bloomington/Indianapolis 2008
WINDISCH, LAURA: Kunst. Macht. Image: Anna Maria Luisa de' Medici (1667–1743) im Spiegel ihrer Bildnisse und Herrschaftsräume, Wien/Köln/Weimar 2019 (Studien zur Kunst 41)ZÖLLNER, FRANK: Michelangelo: Das vollständige Werk, Köln 2007
Digitale Lehre:
Je nach pandemischer Gesamtlage wird das Seminar als Präsenz- oder als digitale Lehrveranstaltung via Microsoft Teams und Moodle durchgeführt. Es richtet sich gleichermaßen an Studierende der Musikwissenschaft und der Kunstgeschichte.
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