05.067.1120 HADL/SFAL I-IV (Master): Rückwärts erzählen. Wolframs „Willehalm“ und Ulrichs „Arabel“

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Dr. Mirna Kjorveziroska

Veranstaltungsart: Seminar/Hauptseminar

Anzeige im Stundenplan: HADL

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 25

Anmeldegruppe: HADL/SFAL I-IV (Master) Gruppe 1:

Prioritätsschema: Senatsrichtlinie
Zulassung gemäß Richtlinie über den Zugang zu teilnahmebeschränkten Lehrveranstaltungen vom 07. März 2007.

Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte www.info.jogustine.uni-mainz.de/senatsrichtlinie

Kontingentschema: Kontingentierung HADL/SFAL I-IV

Inhalt:
„Willehalm hatte Arabel gewonnen, deswegen starben unschuldige Menschen. Die ihm ihre Liebe ehemals versprochen hatte und nun gewährte, ließ sich auf den Namen Gyburc taufen. Ihr Ehemann, der König Tybalt, beklagte den Verlust ihrer Liebe“, schreibt Wolfram von Eschenbach 1210/20 in seinem Willehalm, dessen Handlung zwei blutige Schlachten zwischen Christen und Heiden ausmachen, angelegt nicht nur als Glaubenskrieg, sondern auch als persönliche Rache, indem der Heidenkönig Terramer zusammen mit dem gehörnten und verlassenen Schwiegersohn Tybalt die Bekehrung seiner Tochter Arabel zum Christentum und ihre Wiederverheiratung mit dem titelgebenden christlichen Markgrafen rächen will. „Nein“, erhebt knapp 50 Jahre später der Dichter Ulrich von dem Türlin Einspruch, das sei doch zu enge, zu kurz und gestrafft, und setzt sich zum Ziel, eine Vorgeschichte zu Wolframs Willehalm zu dichten, die die spärlichen Andeutungen über die Liebesanfänge zwischen Willehalm und Arabel lang und breit zu einem ganzen Liebesroman ausgestaltet. Nicht der fehlende Schluss, der abrupte Abbruch von Wolframs unvollständig gebliebenem Werk beschäftigt ihn (darum kümmert sich ein anderer Dichterkollege), sondern die von Wolfram eilends abgehandelten Ereignisse, die dem Krieg vorausgehen – wie Willehalm während seiner jahrelangen Gefangenschaft im Orient Arabel kennenlernte, wie sich beide einander näherkamen und den Entschluss zur Flucht fassten, wie sich in einem hochproblematischen Lernprozess die morgenländische Königin, Gattin und Mutter Arabel in die abendländische jungfräuliche Markgräfin Gyburc allmählich transformierte.

In dichten Lektüren der beiden Texte wollen wir versuchen zu verstehen, wie sich einem bestehenden, geschätzten Werk Anschlusspunkte für eine neue Erzählung abringen ließen, welche Szenen und Bemerkungen als Einbruchstellen für das Weiter- (hier eigentlich: Zurück-)Erzählen erkannt wurden, wo und wie ein Nachdichter ungenutztes Erzählpotential entdeckte und gerafft Zusammengelegtes erzählerisch auseinanderfaltete. Denn Ulrichs Roman basiert nicht auf einer französischen Vorlage, sondern ausschließlich auf Wolframs sporadischen Andeutungen, sein Erzählen ist im Grunde ein Aus-Erzählen und das Ergebnis ist ein Roman aus Rückblenden. Es wird in unserem Seminar allgemein um die Spielregeln mittelalterlichen Erzählens gehen, wie auch um den vormodernen Werkbegriff, das Phänomen der als tiefe Beunruhigung empfundenen Fragmentarität und die offenbar nicht erst in der Neuzeit beginnende Klassiker-Rezeption.

Empfohlene Literatur:
Beide Texte sind kostenlos herunterladbar.

Wolfram von Eschenbach: Willehalm. Text der Ausgabe von Werner Schröder. Übersetzung, Vorwort und Register von Dieter Kartschoke. 3., durchgesehene Auflage, Berlin/New York 2003 (Zugriff über das Uninetz). https://hds.hebis.de/ubmz/Record/HEB353387819

Ulrich von dem Türlin: Arabel (alter Titel: Willehalm. Ein Rittergedicht aus der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts). Herausgegeben von Samuel Singer, Prag 1893 (Bibliothek der mittelhochdeutschen Literatur in Böhmen 4). https://archive.org/details/willehalmeinritt04ulriuoft

Zusätzliche Informationen:
Die geschilderten Erzählphänomene sind der zeitgenössischen Fernsehproduktion nicht fremd, Ableger (engl. spin-off) macht sich auch die heutige Medienindustrie zunutze. Bringen Sie bitte zur ersten Sitzung ein einschlägiges Beispiel mit, das Sie vor allem mit Blick auf das Zeitverhältnis zwischen Ableger und Originalserie (Vorgeschichte – Gleichzeitigkeit – Nachgeschichte) sowie Figurenpersonal im Plenum vorstellen.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Do, 27. Okt. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
2 Do, 3. Nov. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
3 Do, 10. Nov. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
4 Do, 17. Nov. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
5 Do, 24. Nov. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
6 Do, 1. Dez. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
7 Do, 8. Dez. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
8 Do, 15. Dez. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
9 Do, 22. Dez. 2022 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
10 Do, 12. Jan. 2023 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
11 Do, 19. Jan. 2023 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
12 Do, 26. Jan. 2023 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
13 Do, 2. Feb. 2023 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
14 Do, 9. Feb. 2023 12:15 13:45 01 441 P105 Dr. Mirna Kjorveziroska
Übersicht der Kurstermine
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Lehrende/r
Dr. Mirna Kjorveziroska