07.095.230 Die Oden des Horaz und ihre Rezeption in Nachdichtungen und Vertonungen der Neuzeit

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Dr. Markus Stachon

Veranstaltungsart: Hauptseminar

Anzeige im Stundenplan: HS Latein

Semesterwochenstunden: 2

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | -

Inhalt:
Wer heute eine horazische Ode übersetzt, achtet meist auf eine exakte Wiedergabe des Inhalts und lässt die lyrische Form dabei außer Acht. Wer darüber hinaus versucht, die Übersetzung "im Versmaß des Originals" erklingen zu lassen, steht vor der Schwierigkeit, dass die antike quantitierende Metrik anderen Regeln folgt als die akzentrhythmische Metrik unserer modernen Sprachen. Um der lyrischen Form horazischer Oden gerecht zu werden, versuchten daher immer wieder Dichterinnen und Dichter verschiedener Sprachen, Übertragungen in gängigen lyrischen Formen der jeweiligen Zielsprache anzufertigen: Wenn aus einer Sapphischen Strophe nun aber ein jambischer Vierzeiler mit Endreim wird, dann muss man wiederum bei der Wörtlichkeit der Übertragung Abstriche machen. 

Im Seminar wollen wir ausgewählte Oden des Horaz zuerst selbst im Original lesen, erklären und verstehen, und uns dann mit Umdichtungen derselben befassen, die den antiken Dichter in ein zeitgenössisches Gewand hüllen. Dabei werden wir etwa in Christian Morgensterns Horatius Travestitus (1896) Horaz als einen Berliner Dandy an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kennenlernen, so wie wir bei Eduard Stemplinger Horaz in der Lederhos'n (1905) auf Bairisch ratsch'n hören werden; Hans Hübner präsentiert Horazische Oden als deutsche Gedichte (1953) – die Liste ließe sich beliebig lange erweitern. Bei Interesse können wir auch englische Nachdichtungen anschauen und mit ihrer Vorlage vergleichen.

Außerdem lässt sich den horazischen Oden moderner Geist einhauchen, wenn man ihnen am lateinischen Original zurückgibt, was in einer bloßen Rezitation des Textes verloren ist: Musik.
Daher wollen wir uns auch "musikalische Nachdichtungen", also Vertonungen horazischer Gedichte im Notentext ansehen, sie uns (soweit möglich) anhören und analysieren, wie die Werke darin von den Komponist:innen verstanden, interpretiert und umgesetzt worden sind: Hier können etwa Christian Friedrich Ruppes Q. Horatii Flacci Odae IV (Gesang/Klavier, 1816), Carl Loewes Fünf Oden des Horaz (Männerchor, 1836), Charles Salamans Musical Settings of the Ancient Lyrics (Gesang/Klavier, 1875/76) oder Mario Castelnuovo-Tedescos Sei Odi di Orazio (Gesang/Klavier, 1930) behandelt werden.

In der ersten Sitzung werden wir uns zunächst anhand von Ode 1,5 (Ad Pyrrham) einen Überblick über die vorhandenen Sammlungen verschaffen, die wir im weiteren Verlauf des Seminars als Vergleichsobjekte neben die Originale stellen wollen. Die Studierenden entscheiden sich dann für eine horazische Ode, zu der sie die Sitzung co-moderieren wollen, sowie für eine Nachdichtung bzw. Vertonung. 

In den Hausarbeiten soll eine ausgewählte Ode erst im Original erklärt und auf Grundlage des gewonnenen Verständnisses selbst möglichst genau übersetzt werden, worauf eine moderne Nachdichtung oder Vertonung (die nicht unbedingt mit der im Kurs behandelten identisch sein muss) im Vergleich zur Vorlage analysiert werden soll: Wo werden Schwerpunkte gegenüber dem Original verlagert, welche Elemente werden fallengelassen oder hinzugefügt, wie werden Mehrdeutigkeiten zugunsten einer Interpretation entschieden? Geht eine Vertonung auf die von Strophe zu Strophe wechselnden Stimmungen ein; ist sie als (variiertes) Strophenlied gestaltet oder durchkomponiert; oder scheint der Text, der auf die Melodie gesungen wird, vielleicht sogar austauschbar zu sein? Werden die lyrische Grazie und der horazische Charme in der Musik eingefangen, oder wird das Lateinische lediglich als monumentaler Silben-Steinbruch verwendet? Wie wird das Versmaß in einen musikalischen Rhythmus übertragen: Werden Akzente nach dem Versiktus oder der Wortbetonung gesetzt?

Am Ende des Seminars werden wir nicht nur ein tieferes Verständnis einiger horazischer Oden gewonnen haben, sondern auch erahnen können, wie der Dichter möglicherweise geklungen hätte, wenn er ein Zeitgenosse Heinrich Heines oder Franz Schuberts gewesen wäre. 

Die Nachdichtungen und Vertonungen werden im Zusammenhang mit der jeweiligen Sitzung zur Verfügung gestellt.
 

Empfohlene Literatur:
Ausgaben und Kommentare zu den Oden des Horaz:
I. Borzsák, Q. Horati Flacci Opera (Leipzig: Teubner, 1984).
D. R. Shackleton Bailey, Q. Horatius Flaccus, Opera, 4. ed. (Berlin: De Gruyter, 2001).
A. Kießling / R. Heinze, Q. Horatius Flaccus, Oden und Epoden, 7. Aufl. (Berlin: Weidmann, 1930).
R. G. M. Nisbet / M. Hubbard / N. Rudd, A Commentary on Horace, Odes, Book I / Book II / Book III (Oxford: Oxford University Press, 1970, 1978, 2004).

Literatur zur Horaz-Rezeption:
E. Stemplinger, Das Fortleben der horazischen Lyrik seit der Renaissance (Leipzig: Teubner, 1906).
R. Storrs, Ad Pyrrham: A Polyglot Collection of Translations of Horace's Ode to Pyrrha (Book I, Ode 5) (London: Oxford University Press, 1959).
J. Draheim, Vertonungen antiker Texte vom Barock bis zur Gegenwart (mit einer Bibliographie der Vertonungen für den Zeitraum von 1700 bis 1978) (Amsterdam: B.R. Grüner BV, 1981).
J. Draheim / G. Wille, Horaz-Vertonungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Eine Anthologie (Amsterdam: B.R. Grüner BV, 1985).
 

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Do, 20. Apr. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
2 Do, 27. Apr. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
3 Do, 4. Mai 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
4 Do, 11. Mai 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
5 Do, 25. Mai 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
6 Do, 1. Jun. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
7 Do, 15. Jun. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
8 Do, 22. Jun. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
9 Do, 29. Jun. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
10 Do, 6. Jul. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
11 Do, 13. Jul. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
12 Do, 20. Jul. 2023 16:15 17:45 00 011 SR 05 Dr. Markus Stachon
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Lehrende/r
Dr. Markus Stachon