00.Q+.220 Big Thoughts

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht; Dennis Hippe; Dr. phil. Doris Lindner

Veranstaltungsart: Seminar

Anzeige im Stundenplan: 00.Q+.220

Credits: 2,0

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 22

Voraussetzungen / Organisatorisches:
Lektüre der bereitgestellten Literatur.

Anforderungen:
Teil I Hans Ulrich Gumbrecht: kurze Impulsreferate (ca. 7 Minuten). Darüber hinaus sollen die Teilnehmenden [je nach ihren schwerpunktfächern und oder ihren zentralen intellektuellen faszinationen] einen spezifischen Fall eines menschheitsrelevanten Durchbruchs im Denken oder Forschen auswählen und mittels einer Kurzdarstellung von max. 7 Minuten im Seminar ausgehend von der Frage vorstellen, was die entscheidenden historischen, gesellschaftlichen und gegebenenfalls individual-psychischen Voraussetzungen dafür gewesen sein könnten.

Teil II Reinhard Genzel:
Lektüre der angegebenen Literatur. Sehr rege Diskussionsbeteiligung. Vorbereitung von jeweils drei Fragen auf der Grundlage der Literatur an Reinhard Genzel.
 

Inhalt:
Teil I – Hans Ulrich Gumbrecht
“Big Thoughts” nennen wir Gedanken, die als Unterbrechung von Traditionen weite, menschheitsverändernde Resonanz finden. Als Beispiel kann der vom sogenannten „Neuen Testament“ erzählerisch artikulierte, mehrfach paradoxale theologische Gedanke von einem rein geistigen, monotheistischen Gott gelten, der seinen Sohn Fleisch werden lässt, um die Menschen als seine Geschöpfe von einer von ihm über sie verhängten Strafe zu erlösen, oder Einsteins mathematisch artikulierter, naturwissenschaftlicher Gedanke von der „Relativität“ als einer Verfugung der bis dahin als voneinander unabhängig vorgestellten Dimensionen von Raum und Zeit. Solche „großen Gedanken“ lassen sich nur retrospektiv und im Blick auf ihre langfristige Wirkung identifizieren. Aus dieser Perspektive stellt sich offenbar unwiderstehlich die Frage nach ihren Voraussetzungen und Gründen, die wir in diesem Seminar verfolgen wollen. Bis ins Zeitalter der Aufklärung haben zumindest die westlichen Kulturen „Big Thoughts“ auf Interventionen und Inspirationen von Göttern zurückgeführt, während sich der Fokus seit der „Romantik“ des frühen neunzehnten Jahrhunderts dann auf das individuelle „Genie“ verschob. In unserer Gegenwart scheinen weder transzendentale Vorgaben noch individuelles Genie als Ursprung einschneidender Veränderungen akzeptabel, ohne dass ein neuer „großer Gedanke“ über „große Gedanken“ sie ersetzt hätte. Eben diese Leerstelle soll unsere Diskussionen motivieren.

Der erste Tag des Blockseminars wird mit einer historisch illustrierten Vorlesung von HU Gumbrecht über die zentralen, uns zur Verfügung stehenden Begriffe und Theorien hinsichtlich des Phänomens „großer Gedanken“ und seiner Probleme einsetzen, auf die alle Teilnehmenden in einer Diskussionsrunde reagieren, um Fragen und Fluchtlinien für ein weiterführendes, gemeinsames Gespräch zu eröffnen.
Dagegen geht der zweite Tag von [maximal] siebenminütigen Präsentationen der Seminar-Teilnehmer im Blick auf individuell ausgewählte und vorbereitete historische Fälle von „Big Thoughts“ aus, deren Thesen und Fragen der Dozent in Kommentaren und Rückfragen in Vorgaben für eine zweite gemeinsame Debatte überführen soll.

Montag, 05. Dezember 2022
10:15 – 13:00 h Vortrag HU Gumbrecht (inkl. Pause)
13:00 – 14:00 h Pause
14:00 – 16:00 h Respons der Studierenden
16.15 – 16.30 h Pause
16.30 – 17.30 h Diskussion

Dienstag, 06. Dezember 2022
10:15 – 15:00 h Impulsreferate Q+Studierende und Respons HU Gumbrecht (inkl. Pause)

Dienstag, 13. Dezember 2022
14:15h Kamingespräch mit Reinhard Genzel, Moderation: Saskia Plura (Q+Alumna), online

Lernziele:
Eine Ermutigung zu eigenständigem Nachdenken über Fragen und Probleme, die bisher keine generell akzeptierten Lösungen gefunden haben.
Einen Impuls zum Nachdenken über die eigene Praxis des Denkens und Forschens, ausgehend von dem historischen Horizont einer Reihe von Ereignissen „positiver Diskontinuität“ in der Kultur- und Ideengeschichte. Eine Einsicht in das spezifische Verhältnis zur Vergangenheit, das sich in unserer Gegenwart entwickelt

Teil II - Reinhard Genzel

Seit der Entdeckung der Quasare vor etwa 50 Jahren haben sich die Indizien gehäuft, dass in den Zentren von Milchstraßensystemen massive Schwarze Löcher sitzen, die durch Akkretion von Gas und Sternen effizient Gravitationsenergie in Strahlung umwandeln. Durch hochauflösende Messungen im Infrarot- und Radiobereich ist es jetzt im Zentrum unserer eigenen Milchstraße gelungen, einen überzeugenden Beweis für diese Hypothese zu liefern. Gleichzeitig wurden neue und unerwartete Resultate über den dichten Sternhaufen in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs erbracht.
Hierbei haben neue Entwicklungen in der Infrarotinstrumentierung und der adaptiven Optik und Interferometrie am neuen Großteleskop der ESO, dem VLT, eine wichtige Rolle gespielt.
Gleichzeitig ist klargeworden, dass die meisten Galaxien massive Schwarze Löcher beherbergen und diese Schwarzen Löcher bereits etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden sein müssen.
Es werden diese neuen Messungen und ihre Konsequenzen für die Entstehung von Schwarzen Löchern im frühen Universum diskutiert.
 

Empfohlene Literatur:
Nobel Lecture:
https://www.nobelprize.org/prizes/physics/2020/genzel/lecture/

The Galactic Center massive black hole and nuclear star cluster
https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2010RvMP...82.3121G/abstract

Detection of orbital motions near the last stable circular orbit of the massive black hole SgrA*
https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2018A%26A...618L..10G/abstract

Mass distribution in the Galactic Center based on interferometric astrometry of multiple stellar orbits
https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2022A%26A...657L..12G/abstract

An Update on Monitoring Stellar Orbits in the Galactic Center
https://ui.adsabs.harvard.edu/abs/2017ApJ...837...30G/abstract
 

Zusätzliche Informationen:
Lehrende:
Hans Ulrich Gumbrecht war von 1989 bis Juli 2018 „Albert Guérard Professor in Literature“ an der Stanford University/Kalifornien. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie in München, Regensburg, Salamanca (Spanien), Pavia (Italien) und Konstanz und lehrte vor seinem Wechsel 1989 in die Vereinigten Staaten an den Universitäten Konstanz, Bochum und Siegen. Der Autor von nahezu 3.000 Texten - darunter zahlreiche wegweisende, auch Widerspruch erzeugende und in 20 Sprachen übersetzte Monografien - arbeitet insbesondere über die europäische Literatur und Philosophie des Mittelalters sowie des 18. bis zum frühen 20. Jahrhunderts, über Medien und Kommunikation sowie über Phänomene der gegenwärtigen Alltags-Ästhetik, vor allem über die Ästhetik des Sports. Hans Ulrich Gumbrecht  ist  Mitglied der American Academy of Arts and Sciences, Professeur attaché Emeritus am Collège de France, Catedratico Visitante Permanente an der Universität Lissabon, seit 2020 Distinguished Professor of Romance Literatures at the Hebrew University, Jerusalem, 2021 Distinguished Emeritus an der Universität Bonn - und war zudem Gastprofessor an zahlreichen akademischen Einrichtungen in der ganzen Welt. Er wurde u.a. mit 12 Ehrendoktoraten aus sieben Ländern, unter anderem (2019) an der JGU Mainz, geehrt.    

Prof. Dr. Reinhard Genzel (geb. am 24.3.1952 in Bad Homburg) ist Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Professor an der Graduate School for Physics and Astronomy der University of California in Berkeley. Er ist einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Infrarot- und Submillimeter-Astronomie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Experimentelle Astrophysik, Schwarze Löcher, Galaxienkerne, Galaxienentwicklung, Sternenentstehung und extragalaktische Astrophysik. 2020 erhielt er den Nobelpreis für Physik, gemeinsam mit der US-amerikanischen Astronomin Andrea Ghez, für die Entdeckung eines supermassereichen kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße.

Saskia Plura ist Q+Alumna sowie Doktorandin und Fellow der Mainz Physics Academy des Exzellenzclusters PRISMA+. In ihrer Doktorarbeit im Feld der experimentellen und phänomenologischen Teilchenphysik beschäftigt sie sich mit der Suche nach Dunkler Materie an den Experimenten BESIII und DarkMESA. 2020 wurde sie als Young Scientist für die Lindau Nobel Laureate Meetings ausgewählt, bei denen sie im Rahmen einer Paneldiskussion zum Thema Dunkle Materie, Dunkle Energie und Schwarze Löcher mit 4 Physik-Nobelpreisträgern diskutierte. Nachdem sie seit dem Beginn 2017 beim Studienprogramm Q+ mitwirkte , unterstützt sie nun das Programm weiterhin als Q+ Alumna.
 

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Mo, 5. Dez. 2022 10:15 17:30 01 223 (K104) Hör-/Lehrsaal Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht; Dr. phil. Doris Lindner
2 Di, 6. Dez. 2022 10:15 16:00 01 223 (K104) Hör-/Lehrsaal Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht; Dr. phil. Doris Lindner
3 Di, 13. Dez. 2022 10:00 12:00 Besprechungsraum 02-205, Kisselberg Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht; Dr. phil. Doris Lindner
Veranstaltungseigene Prüfungen
Beschreibung Datum Lehrende/r Pflicht
1. Referat k.Terminbuchung Ja
Übersicht der Kurstermine
  • 1
  • 2
  • 3
Lehrende/r
Dr. phil. Doris Lindner
Dennis Hippe
Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht