06.139.0505 VL Kalter Krieg - Alternativkulturen - Citizen Diplomacy

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Univ.-Prof. Dr. Birgit Menzel

Veranstaltungsart: online: Vorlesung

Anzeige im Stundenplan: 06.139.0505

Credits: 3,0

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 45

Voraussetzungen / Organisatorisches:
„Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“
(Immanuel Kant)

Fast ein halbes Jahrhundert lang war der Kalte Krieg die Matrix, von der aus in der Welt Selbst- und Fremdbilder, strategische Vorstellungen von Stärke und Schwäche definiert wur-den. Der Ost-West Konflikt zwischen den beiden Supermächten Russland und Amerika beherrschte nicht nur die inter¬nationalen politischen Beziehungen, Kriegsschauplätze in anderen Kontinenten und die Geschichte des geteilten Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern sie beherrschte auch die Kultur. In der forciert vorangetriebenen Entwicklung von Wissenschaft (z.B. Raumfahrt) und (Kommunikations-) Technologien (Rüstungsindustrie, Computertechnologien, Kybernetik) wurden entscheidende Weichen für die heutige Situation gestellt, aus denen verschiedene Perspektiven für eine zukünftige Weltordnung erwachsen.
Angesichts der gegenwärtig neu eskalierenden Kriegs- und Konfliktstellationen in einer multipolaren Weltordnung – wir stehen heute, 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, in einer vielfach vergleichbaren Situation – erscheint es besonders wichtig, sich diese Geschichte zu vergegenwärtigen, aus ihnen Perspektiven und Anregungen für das eigene Handeln zu gewinnen.

Inhalt:
Die Vorlesung besteht aus drei Teilen.

Im ersten Teil steht ein Überblick über die politische und kulturelle Geschichte des Kalten Krieges, über die Entwicklung der sowjetisch-amerikanischer Beziehungen, die wechselseitigen Bilder voneinander.
Im zweiten Teil werden die Alternativkulturen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs vorgestellt.

Als Reaktion auf die Politik der Angst und die militärische Bedrohung, wie auch gegen ideologisch-moralische Disziplinierung entwickelten sich auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs seit den 1960er Jahren non¬konformistische Alternativkulturen, die z.T. in Kontakt miteinander traten. Angesichts der gegenwärtig neu eskalierenden Konstellationen in einer multipolaren Weltordnung erscheint es besonders wichtig, sich diese Geschichte zu vergegenwärtigen, aber gleichzeitig die weniger erforschte Kooperation die kaum je aufeinander bezogene Geschichte der Alternativkulturen aufzuarbeiten.

Der dritte Teil vermittelt einen Einblick in die weitgehend unbekannte Geschichte der sowjetisch-amerikanischen unabhängigen Friedensbewegung citizen diplomacy (Bürgerdiplomatie, narodnaja diplomatija). Der Schwerpunkt liegt auf Portraits einzelner Aktivisten und einigen konkreten Projekten (Telebrücken/Space bridges (1982-1989), Jugendaustausch von Alpinisten, Ttouch Feldenkrais-Therapie für Pferde und Menschen, home- bzw. waterbirth-Bewegung).
Was heute kaum bekannt, oder vergessen und verdrängt ist: Als Reaktion auf die Politik der Abschreckung und die militärische Bedrohung, wie auch gegen ideologisch-moralische Disziplinierung began-nen seit den 1970er Jahren zivilgesellschaftliche Initiativen über den Eisernen Vorhang hinweg nach Alternativen zu suchen. Angesichts der drohenden Gefahr einer atomaren Vernichtung, entfaltete sich, ausgehend von einfachen amerikanischen Bürgern, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, als die offiziellen Kanäle staatlicher Diplomatie zunehmend verstopft wurden, eine unabhängige Friedensbewegung. Aus persönlichen Kontakten zwischen Individuen der verfeindeten Supermächte entstanden informelle Netzwerke der Kommunikation, vielfältige Initiativen und Projekte auf vielen Gebieten und quer durch die Schichten der Gesellschaft (z.B. Wissenschaft, Telekommunikation, Humanistische Psychologie, alternative Heilmethoden & komplementäre Medizin, Ökologie, Pädagogik). Initiiert wurde die grassroots-Bewegung von Aktivisten der amerikanischen New Age Counter¬culture.
Nach Chernobyl und in den Jahren der Perestrojka weiteten sich in offizielle Kanäle aus und führten z.T. zu spektakulären Durchbrüchen in der Kommunikation. Die zivilgesellschaftlichen Beziehungen expandierten schlagartig, so dass bis 1986 bereits weit über hundert Organisationen an dem Austausch beteiligt waren. All dies fand „unterhalb des Radars“ der staatlichen Kontrollorgane statt, wenn auch immer von jenen beobachtet. Viele der individuellen Kontakte und Netzwerke dauerten auch in den 1990er Jahren an, einige bis in die Gegenwart.
Eine Liste mit Spiel- und Dokumentarfilmen zu allen drei Themenbereichen wird begleitend zur Vorlesung zur Verfügung gestellt.

Empfohlene Literatur:
Empfohlene begleitende Lektüre:
Chronology of the Cold War 1917-1992, ed. Lester Brune/Richard Dean Burns (consult.ed.), London: Routledge 2006
Der Ost-West-Konflikt. Internationale Beziehungen I, Informationen zur politischen Bildung, 4. Qu. 1994, 245 (Bundeszentrale für politische Bildung)
Menzel, Birgit: New Age Diplomacy and the Human Potential Movement. An Independent Soviet-American Movement to End the Cold War, in: Journal of Comparative Studies (Dau-gavpils), vol. 44, 2024 (in print).
Menzel, Birgit: Dolmetscher als citizen diplomats. Die Rolle von Dolmetschern in einer Graswurzelbewe-gung zur Beendigung des Kalten Krieges, in: Behr, Martina & Seubert, Sabine (eds.): Education is a Whole-Person Process. Von ganzheitlicher Lehre, Dolmetschforschung und anderen Dingen, Berlin: Frank & Timme, 2017, p. 435-453.

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Univ.-Prof. Dr. Birgit Menzel