05.KuTheFi.16_1010 VL. Medialität der Sinne: Aspekte der dokumentarischen Arbeit: Krieg der Bilder

Veranstaltungsdetails

Lehrende/r: Dr. Roman Mauer

Veranstaltungsart: Vorlesung

Anzeige im Stundenplan: VL Medialität Sinne

Semesterwochenstunden: 2

Credits: 3,0

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | -

Voraussetzungen / Organisatorisches:
Kooperation mit Univ.-Prof. Dr. Katja Schupp (Seminar für Journalismus)

Inhalt:
Der Krieg im Bild und der Krieg der Bilder teilen eine lange Tradition. Die Kamera dient früh der militärischen Feindaufklärung, der Propaganda und Desinformation, schließlich der Aufzeichnung von Gewalt und Zerstörung. Eingebaut in die Kriegstechnologie wird das filmische Bild an der Spitze einer Rakete selbst zum Projektil (ein Umstand, der sowohl den Philosophen Paul Virilio als auch den Essayfilmer Harun Farocki beschäftigte). Das Arsenal der visuellen Kriegsführung hat sich erweitert: durch Drohnenbilder, Helm-GoPros, Sieges-Selfies und Militärblogs. Wenn das Schlachtfeld des Sehens, das kartografiert wird durch Bilder von oben und von unten, zum integralen Bestandteil der psychologischen Kriegsführung wird, wie kann sich der Dokumentarfilm dazu verhalten? Da im Dokumentarfilm das Ereignis vor der Kamera in der Regel nicht fingiert ist, sondern tatsächlich geschieht, werden sowohl die Kamerainstanz als auch das Publikum moralisch in die Pflicht genommen: Das Leid anderer zu betrachten (Regarding the Pain of Others), kann, so Susan Sontag, schwanken zwischen Schock und Empathie, Voyeurismus und Gewöhnung (2003). Am deutlichsten wird diese Verschränkung von filmischer Darstellung und Ethik bei der Dokumentation eines realen Todes. Vivian Sobchack problematisiert hier den professionellen Blick der Kriegsberichterstattenden, denn er legitimiere das Nicht-Eingreifen nur über den journalistischen Auftrag, die Situation für die Öffentlichkeit festzuhalten (vgl. Sobchack 2006, S. 184–190). Der Dokumentarfilm WAR PHOTOGRAPHER (CH 2001, Christian Frei) thematisiert diesen Konflikt nicht nur inhaltlich, sondern überträgt ihn formal auf das Publikum, indem er eine Mikrokamera am Fotoapparat des Kriegsfotografen James Nachtwey installiert, sodass die Zuschauenden seine Subjektive teilen und die Entscheidung, den Auslöser zu drücken, unmittelbar nachempfinden können. „Dokumentarischer Raum konstituiert und verankert sich als ethischer Raum; er besteht aus der objektiv sichtbaren Gesamtheit von subjektiven visuellen Reaktionen und persönlicher Verantwortung gegenüber einer Welt, die man mit anderen Menschen teilt.“ (Sobchack 2006, S. 183 f.)
Die audiovisuelle Darstellung von Krieg und Krisen zwischen Zeugenschaft, Instrumentalisierung und Manipulation steht in diesem Wintersemester im Zentrum der interdisziplinären Vorlesungsreihe „Aspekte der dokumentarischen Arbeit“, eine Kooperation des FTMK mit dem Seminar für Journalismus. Nach einer Einführung und einem historisch-thematischen Überblick werden verschiedene, auch internationale Gäste aus der Praxis die Thematik in Filmsichtungen und Werkstattgesprächen mit den Studierenden diskutieren und erarbeiten. Ziel ist es, eine medienkritische Reflexion und Kontextualisierung zu erreichen und dabei auch für die kulturelle, redaktionelle und gestalterische Arbeit in diesem besonderen Themenfeld, das durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine in unserer unmittelbaren Nachbarschaft präsenter ist, denn je, zu sensibilisieren.

Empfohlene Literatur:
• Aguayo, Angela J.: Documentary resistance social change and participatory media. New York: Oxford University Press 2019.
• Ahrens, Jörg / Lutz Hieber, York Kautt (Hrsg.): Kampf um Images: Visuelle Kommunikation in gesellschaftlichen Konfliktlagen. Wiesbaden: Springer VS 2015.
• Austin, Thomas; Wilma de Jong (Hrsg.): Rethinking Documentary: New Perspectives, New Practices. Maidenhead 2008.
• Becker, Jörg: Medien im Krieg – Krieg in den Medien. Wiesbaden: Springer VS 2016.
• Bruzzi, Stella: New Documentary: A Critical Introduction. London 2005.
• Büttner, Elisabeth / Öhner, Vrääth / Stölzl, Lena (Hrsg.): Sichtbar machen: Politiken des Dokumentarfilms. Berlin: Vorwerk 8, 2018.
• Heinze, Carsten / Weber, Thomas (Hrsg.): Medienkulturen des Dokumentarischen. Wiesbaden: Springer VS. Wiesbaden 2017.
• Hißnauer, Christian: Fernsehdokumentarismus: theoretische Näherungen, pragmatische Abgrenzungen, begriffliche Klärungen. Konstanz: UVK-Verl.-Ges. 2011. (Close up; 23)
• Hoffmann, Kay et al. (Hrsg.): Protest -Film -Bewegung: neue Wege im Dokumentarischen. München: edition text + kritik 2015.
• Hohenberger, Eva (Hrsg.): Bilder des Wirklichen. Texte zur Theorie des Dokumentarfilms. Berlin: Vorwerk 8, 4. Auflage, 2012.
• Hüppauf, Bernd: Fotografie im Krieg. Paderborn: Fink 2015
• Jacob, Frank (Hrsg.): War in Film. Semiotics and Conflict Related Sign Constructions on the Screen. Büchner-Verlag 2022.
• Kahana, Jonathan (Hrsg.): The documentary film reader: history, theory, criticism. New York: Oxford University Press 2016.
• Kirsten, Guido: Filmischer Realismus. Marburg 2013. (Zürcher Filmstudien, 32)
• Most, Stephen: Stories make the world: reflections on storytelling and the art of the documentary. New York: Berghahn Books 2017.
• Nichols, Bill: Introduction to Documentary. Bloomington: Indiana University Press, 3. überar. Aufl. 2017.
• Odin, Roger: Kommunikationsräume. Einführung in die Semiopragmatik, hrsg. von Guido Kirsten, Magali Trautmann, Philipp Blum und Laura Katharina Mücke. oabooks 2019. DOI:10.33767/OSF.IO/6Z974
• Reer, Felix / Klaus Sachs-Hombach, Schamma Schahadat (Hrsg.): Krieg und Konflikt in den Medien: Multidisziplinäre Perspektiven auf mediale Kriegsdarstellungen und deren Wirkungen. Köln: Herbert von Halem 2015.
• Seeßlen, Georg / Markus Metz: Krieg der Bilder – Bilder des Krieges. Berlin: Edition Tiamat, 2002. Paul, Gerhard: Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Paderborn: Schönigh, 2004.
• Sobchack, Vivian: Die Einschreibung des ethischen Raums – Zehn Thesen über Tod, Repräsentation und Dokumentarfilm. In Bilder des Wirklichen. Texte zur Theorie des Dokumentarfilms, Hrsg. Eva Hohenberger. Berlin: Vorwerk 8, 2006, S. 165–194.
• Winston, Brian (Hrsg.): The Documentary filmbook. London: BFI u.a. 2013.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende/r
1 Do, 26. Okt. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
2 Do, 2. Nov. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
3 Do, 9. Nov. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
4 Do, 16. Nov. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
5 Do, 23. Nov. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
6 Do, 30. Nov. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
7 Do, 7. Dez. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
8 Do, 14. Dez. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
9 Do, 21. Dez. 2023 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
10 Do, 11. Jan. 2024 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
11 Do, 18. Jan. 2024 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
12 Do, 25. Jan. 2024 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
13 Do, 1. Feb. 2024 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
14 Do, 8. Feb. 2024 12:15 13:45 00 312 P1 Dr. Roman Mauer
Veranstaltungseigene Prüfungen
Beschreibung Datum Lehrende/r Pflicht
1. Erasmus:Teilnahme Do, 8. Feb. 2024 10:00-12:00 Dr. Roman Mauer Nein
Übersicht der Kurstermine
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Lehrende/r
Dr. Roman Mauer