05.155.220 Ü. Kultur- und Medienpraxis - Writing Theatre-Culture: Ethnographisches Praxisseminar

Lehrende/r: Dr. Stefanie Husel

Veranstaltungsart: Übung

Anzeige im Stundenplan: Üb:Medienpraxis

Semesterwochenstunden: 2

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 45

Voraussetzungen / Organisatorisches:
Diese Übung dient entweder als Begleitung, als Vorbereitung oder als Nachbreitung für das Praktikum, das Studierende im Rahmen des Moduls Praktikum absolvieren müssen.

Inhalt:
Reflexivität ist ein wichtiges Thema zeitgenössischer Theaterpraxis: „Experten des Alltags“ kommen zu Wort (z.B. bei Rimini Protokoll und bei Hannah Hurtzig), Theaterprojekte erforschen Krisengebiete und was von ihnen übrig bleibt (z.B. Hans-Werner Kroesinger) oder die Börse (z.B. Chris Kondek). Nicht zuletzt hinterfragen post-dramatische Inszenierung häufig ihre eigenen Möglichkeitsumstände (wie z.B. Arbeiten Forced Entertainments und Jerome Bels). Kurz: Es wird szenische Forschung betrieben – und dabei zumeist auch die (Theater-) Szene erforscht. Doch auch in anderen, benachbarten Wissensfeldern hat sich in den vergangenen Dekaden ein weitereichender Reflexive Turn vollzogen; z.B. untersuchen nun die interdisziplinär aufgestellten science studies, wie in den Wissenschaften neues Wissen und sogar neue Fakten produziert werden, und die sogenannten „Theorien der Praxis“ (Bourdieu, Goffman, Foucault, Latour u.v.a.) erforschen ganz allgemein die praktischen und materiellen Umstände von Sozialität, Subjektivierungen und Wissensproduktion. Seit der Writing Culture Debatte der 1980er und 90er wird dabei in den Sozial- und Kulturwissenschaften eine kreativ eingesetzte Version der Ethnographie zur Methode: Augenzwinkernd an alte volkskundliche Arbeitsweisen angelehnt, werden Forscher zu „teilnehmenden Beobachtern“: sie enkulturieren sich, werden gezielt zu „Eingeborenen“ – in Feldern, die ihnen eigentlich gar nicht so fremd sind. Vielmehr bedeutet das „going native“ in der neueren Ethnographie eine gezielte „Befremdung“ der eigenen Kultur. Erfahrungen solch verfremdeter Enkulturation werden darauf im Kollegenkreis kritisch in eine performativ wirksame und/oder literarisch anspruchsvolle Darstellung expliziten Wissens umgearbeitet. Eine so verstandene ethnographische Arbeitsweise zeigt formal große Nähe zur Produktionspraxis vieler zeitgenössischer Theatermacher.

Das Seminar „Writing Theatre-Culture “ möchte eine fruchtbare Kollision ethnographischer Methode, zeitgenössischer Theaterforschung und praktischer Erfahrung anregen: Teilnehmer lernen die Grundlagen kritischer Ethnographie kennen, um darauf die Reflexion ihrer eigenen Praxiserfahrung ethnographisch zu verfolgen. Sie können ihre Erfahrungen als forschende Theatermacher (bzw. Theaterdenker) ethnographisch verarbeiten, um zu Fragestellungen zu gelangen wie: Welche praktischen Umstände ermöglichen erst kritische, forschende Theaterarbeit? Welche (Betriebs-) Blindheiten entstehen in solcher Produktionspraxis dennoch? Und wie lässt sich gegenüber forschenden Theaterformaten eine Position mit eigener Reflexivität finden?

Empfohlene Literatur:
Breidenstein, Georg/Hirschauer, Stefan/Nieswand, Boris (2013):Ethnographie. Die Praxis der Feldforschung. München: UVK

Hinz, Melanie; Roselt, Jens; Merz, Gunther (Hg.) (2011): Chaos und Konzept. Proben und Probieren im Theater. Berlin: Alexander. (daraus einzelne Aufsätze, z.B.: Primavesi: Das Spiel mit der Probe oder Matzke: Versuchsballons und Testreihen).

Zugeordnete Lehrveranstaltungen:
P. Praktikum