Lehrende/r: Dr. Rebecca Krug
Veranstaltungsart: Proseminar
Anzeige im Stundenplan: Th.PS.Litwiss.Russ.I
Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | -
Voraussetzungen / Organisatorisches: regelmäßige, aktive Teilnahme, Lesen der Pflichtlektüre, Kurzreferat, ggf. schriftliche Hausaufgaben, Hausarbeit
Inhalt: Der Umgang mit Homosexualität und gleichgeschlechtlicher Liebe schwankt in der russischen Gesellschaft – je nach historischer Epoche – zwischen relativer Akzeptanz und vollständiger Tabuisierung. Bis ins 19. Jahrhundert hinein galt Sex zwischen Männern nicht grundsätzlich als Verstoß gegen das traditionelle Rollenverständnis, sondern wurde als Element einer patriarchalen Maskulinität verstanden, in der die Untergebenen ihren Herren sexuell zur Verfügungen stehen mussten (in Haushalten, Klöstern, Werkstätten, Badehäusern). Ab den 1870er Jahren entwickelte sich v.a. in den Städten eine spezifische homosexuelle Subkultur mit ganz eigenen Codes und Symbolen, die bis in die 1920er Jahre hinein eine gewisse gesellschaftliche Tolerierung erfuhr. Ein erster Wendepunkt lässt sich ab der Stalinistischen Herrschaft feststellen. Von 1934 bis 1993 gilt im sowjetischen Russland wie in der ganzen Sowjetunion ein „Sodomie“-Verbot, das homosexuelle Handlungen v.a. unter Männern (sog. „muželožstvo“) mit bis zu 5 Jahren Gefängnis, Zwangsarbeit oder der Zwangseinweisung in psychiatrische Kliniken unter schwere Strafe stellt. Nach einer kurzen Phase der Liberalisierung und Entkriminalisierung in den 1990er Jahren markiert das Gesetz über die „Propaganda von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“ aus dem Jahr 2013 nicht nur eine extreme, von über 80% der Bevölkerung befürwortete Einschränkung von Bürger- und Minderheitenrechten, sondern auch einen gezielten Bruch mit den Werten einer modernen, demokratischen und toleranten Gesellschaft.Entsprechend der historischen Entwicklung changiert auch die literarische Darstellung von Homosexualität und Homoerotik in Russland seit dem 19. Jahrhundert zwischen einer emanzipatorischen Blütezeit während des „Silbernen Zeitalters“, in der vergleichsweise offen über gleichgeschlechtliche Liebe geschrieben werden konnte und einer extremen Tabuisierung bis hin zur Kriminalisierung seit der Stalinzeit. Nach einer theoretischen und historischen Einführung (z.B. zu den Queer Studies) widmen wir uns im Seminar Texten vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, die sich mehr oder weniger explizit mit dem Thema Homosexualität auseinandersetzen. Geplant sind u.a. Werke von Ivan Turgenev, Lidija Zinov’eva-Annibal, Michail Kuzmin, Marina Cvetaeva, Evgenij Charitonov und Ljudmila Ulickaja, wobei wir uns auch einige Stunden mit Texten aus der bosnischen/ kroatischen/ serbischen Literatur beschäftigen werden, z.B. mit Lejla Kalamujic.Der Schwerpunkt des Seminars liegt auf der inhaltlichen und formalen Analyse der Texte. Daneben sollen literaturwissenschaftliche Arbeitstechniken und die Verwendung von Grundbegriffen aus dem Bereich der Lyrik-, Dramen- und Erzähltheorie geübt werden. Sämtliche Texte liegen in deutscher Übersetzung vor.Eine erste Auswahl der Seminartexte wird Mitte/Ende September per Mail bekannt gegeben.
